Calderón de la Barca: Das Leben ist ein Traum
Drama (1636)
Sigismund, des Königs von Polen Sohn, im Turm. Die Sterne sprachen gegen ihn und weissagten einen Tyrannen. Daraufhin ergreift der Vater eine Vorsichtsmaßnahme, sperrt ihn ein und produziert so – einen Tyrannen (den Sternen, wird Sigismund, am Ende aus dem Traum, in den Traum, erwacht, die Schuld geben; die prophecy war self-fulfilling). Das erweist sich bei der Bewährungsprobe: Der Vater traut den Sternen nicht mehr, setzt, von einem Tag auf den anderen, den Sohn auf den Thron, der soll zeigen, wer er ist. Das tut er: Er schmeißt einen Domestiken vom Balkon und will allen, die ihn eingesperrt haben, ans Leder. Zurück muss er in den Turm, als er erwacht, sagt man ihm: Es war nichts als ein Traum. „Was ist Leben? Raserei! / Was ist Leben? Hohler Schaum, / Ein Gedicht, ein Schatten kaum! Wenig kann das Glück uns geben; / Denn ein Traum ist alles Leben / Und die Träume selbst ein Traum.“ Nebenplot eins: Astolf, Herzog von Moskau, spekuliert auf den Königsthron, ebenso wie Prinzessin Estrella. Der Streit soll gelöst werden, Interimsverständigung, durch Heirat der beiden. Nebenplot zwei: Rosaura mit ihrem fürwitzigen Gehilfen Clarin taucht auf einem feurigen Pferd auf – das macht sich sogleich davon – vor Sigismunds Turm. Sie hat zu klären, wer sie ist, aber anders: Ihren Vater, der sie gezeugt und die Mutter verlassen hat, sucht sie – und hat ihn gefunden, lange bevor sie es ahnt (der Zuschauer aber bekommt in mancher Nebenbemerkung mehr als eine Ahnung), in Clotald, der Sigismund in Banden hält.
Die Probe Sigismunds scheitert, aber damit ist es nicht abgetan. Er kommt ins Grübeln übers Leben, das, so gewiss es sich anfühlen mag, ein Traum sein kann. Die neue Devise: Lebe so, als wäre es nur ein Traum, aus dem du erwachen musst. Sprachlich findet das statt in vierhebigen, fast stets gereimten Trochäen. In den großen „ariosen“ Monologpartien fällt der Reim gelegentlich aus. Calderón liebt das Concepto, meist nicht zu den Höhen und Verwicklungen der agudeza getrieben, aber durch die Bildbereiche höchst einfallsreich amplifiziert. Vorliebe fürs Dialektische, umrankt wird so die unauflösliche Dialektik von Leben und Traum, Leben als Traum, Traum als Leben. Komische Effekte der raffinierteren Art verschmäht Calderón nicht.
Die prästabilierte Lösung der Plots ist inszeniert als ein Fallen der Motivationen und Figuren an ihren Platz. Alles von Beginn an zu lesen vom Ende her, auf das es nicht zufällig zufällt. Hier werden keine Knoten durchschlagen, hier lösen sie sich wie von Gotteshand. Sigismund ist, durch eine Lektion, die der Vater gar nicht zu erteilen plante, ein anderer:
Was erstaunt ihr, was erschreckt euch, / Wenn ein Traum mein Lehrer war / Und ich voll Beklemmung fürchte, / Daß ich noch einmal erwache, / Noch einmal im Turm mich finde? / Mag es anders auch geschehen, / Es genügt schon, es zu träumen; / Denn ich habe eingesehen, / Daß das ganze Glück der Menschen / Schließlich wie ein Traum vorbeizieht; / Diesmal will ich es benützen, / mag es kurze Frist auch dauern. / Um Vergebung unserer Mängel / Muß ich bitten; edlen Herzen / Ist es eigen, zu verzeihen.
Sigismund wird König. Er erhält Estrella zur Frau. Astolf, den Rosaura im Verdacht hatte, ihr Vater zu sein, wird ihr Mann. Noch eine zynisch antirevolutionäre Pointe, nachdem alle verheiratet sind. Der Verräter, dem Sigismund einen Aufstand zu seinen Gunsten zu verdanken hat, wird in den Kerker geschickt: „Der Verräter ist entbehrlich, / Wenn erst der Verrat vollbracht ist.“ Alles in der besten Ordnung, auf die es von Anfang an zustrebte.
Sigismund, des Königs von Polen Sohn, im Turm. Die Sterne sprachen gegen ihn und weissagten einen Tyrannen. Daraufhin ergreift der Vater eine Vorsichtsmaßnahme, sperrt ihn ein und produziert so – einen Tyrannen (den Sternen, wird Sigismund, am Ende aus dem Traum, in den Traum, erwacht, die Schuld geben; die prophecy war self-fulfilling). Das erweist sich bei der Bewährungsprobe: Der Vater traut den Sternen nicht mehr, setzt, von einem Tag auf den anderen, den Sohn auf den Thron, der soll zeigen, wer er ist. Das tut er: Er schmeißt einen Domestiken vom Balkon und will allen, die ihn eingesperrt haben, ans Leder. Zurück muss er in den Turm, als er erwacht, sagt man ihm: Es war nichts als ein Traum. „Was ist Leben? Raserei! / Was ist Leben? Hohler Schaum, / Ein Gedicht, ein Schatten kaum! Wenig kann das Glück uns geben; / Denn ein Traum ist alles Leben / Und die Träume selbst ein Traum.“ Nebenplot eins: Astolf, Herzog von Moskau, spekuliert auf den Königsthron, ebenso wie Prinzessin Estrella. Der Streit soll gelöst werden, Interimsverständigung, durch Heirat der beiden. Nebenplot zwei: Rosaura mit ihrem fürwitzigen Gehilfen Clarin taucht auf einem feurigen Pferd auf – das macht sich sogleich davon – vor Sigismunds Turm. Sie hat zu klären, wer sie ist, aber anders: Ihren Vater, der sie gezeugt und die Mutter verlassen hat, sucht sie – und hat ihn gefunden, lange bevor sie es ahnt (der Zuschauer aber bekommt in mancher Nebenbemerkung mehr als eine Ahnung), in Clotald, der Sigismund in Banden hält.
Die Probe Sigismunds scheitert, aber damit ist es nicht abgetan. Er kommt ins Grübeln übers Leben, das, so gewiss es sich anfühlen mag, ein Traum sein kann. Die neue Devise: Lebe so, als wäre es nur ein Traum, aus dem du erwachen musst. Sprachlich findet das statt in vierhebigen, fast stets gereimten Trochäen. In den großen „ariosen“ Monologpartien fällt der Reim gelegentlich aus. Calderón liebt das Concepto, meist nicht zu den Höhen und Verwicklungen der agudeza getrieben, aber durch die Bildbereiche höchst einfallsreich amplifiziert. Vorliebe fürs Dialektische, umrankt wird so die unauflösliche Dialektik von Leben und Traum, Leben als Traum, Traum als Leben. Komische Effekte der raffinierteren Art verschmäht Calderón nicht.
Die prästabilierte Lösung der Plots ist inszeniert als ein Fallen der Motivationen und Figuren an ihren Platz. Alles von Beginn an zu lesen vom Ende her, auf das es nicht zufällig zufällt. Hier werden keine Knoten durchschlagen, hier lösen sie sich wie von Gotteshand. Sigismund ist, durch eine Lektion, die der Vater gar nicht zu erteilen plante, ein anderer:
Was erstaunt ihr, was erschreckt euch, / Wenn ein Traum mein Lehrer war / Und ich voll Beklemmung fürchte, / Daß ich noch einmal erwache, / Noch einmal im Turm mich finde? / Mag es anders auch geschehen, / Es genügt schon, es zu träumen; / Denn ich habe eingesehen, / Daß das ganze Glück der Menschen / Schließlich wie ein Traum vorbeizieht; / Diesmal will ich es benützen, / mag es kurze Frist auch dauern. / Um Vergebung unserer Mängel / Muß ich bitten; edlen Herzen / Ist es eigen, zu verzeihen.
Sigismund wird König. Er erhält Estrella zur Frau. Astolf, den Rosaura im Verdacht hatte, ihr Vater zu sein, wird ihr Mann. Noch eine zynisch antirevolutionäre Pointe, nachdem alle verheiratet sind. Der Verräter, dem Sigismund einen Aufstand zu seinen Gunsten zu verdanken hat, wird in den Kerker geschickt: „Der Verräter ist entbehrlich, / Wenn erst der Verrat vollbracht ist.“ Alles in der besten Ordnung, auf die es von Anfang an zustrebte.
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