Stendhal: Vanina Vanini (Italienische Novellen)
Das Sich-Überstürzen als Erzählprinzip. Noch ist das Fest kaum zu Ende beschrieben, auf dem die römische Titel-Schönheit Vanina Vanini – in der vielleicht weniger vanitas steckt als der Name suggeriert und umso mehr Passion – gefeiert wird, auch als Zukünftige des Mannes, den sie nach dem sich überstürzend Vorfallenden heiraten wird, sind wir in medias der Sache, die sich als die eigentliche dann erst herausstellen wird. Vanina verliebt sich in einen Aufständischen, der, von Vaninas Vater vor seinen Häschern geschützt, als Frau verkleidet ist. Sie verliebt sich in diese Frau und liebt noch den Mann, der, zeigt sich, an einer fatalen Wunde zu sterben droht. Ein Nachhall des Fischerkönigs, Vanina wird in letzter Minute für die Heilung sorgen – aber erlöst ist er damit nicht. Es überstürzt sich einfach weiter: die Liebe, der Kampf ums Vaterland, als Kampf zwischen der Liebe und dem Vaterland. Vanina unternimmt, was sie kann und erreicht, was sie nicht wollte: Pietro Missirilli stellt sich, weil sie aus Verzweiflung seine Kämpfer verraten und ihn so ins Licht eines fatalen Verdachts gerückt hat. Er wird zum Tode verurteilt, Vanina intrigiert, indem sie mit dem Mann spielt, der sie liebt und dem Onkel, der sich von der Schönheit bezirzen lässt. Atemberaubend die Non-Sequiturs, etwa wenn, nach erfolgreicher Bezirzung, diese gar nicht mehr nötig gewesen sein wird, weil der Papst selbst, auf dessen Bedrängung sie dringt, die Begnadigung fordert. Es ist diese Unordnung des Erzählens, die bezwingt: Stendhal wuchtet hier schwere Steine mühelos durch den Plot, der aber seiner eigenen Gesetzlichkeit (oder gar keiner) folgt. Es erscheint zuletzt beinahe erzählnotwendig, dass in diesen gegeneinander sich verschiebenden Lagen, die zueinander nicht kommen können, die füreinander bestimmt schienen, nach dem Beginn, der sie so verführerisch geheimnisvoll und geschlechterkreuzend zusammenführt. Am Ende will Pietro der Frau, die ihn liebt, der Frau, die er liebte, kettenrasselnd an den Kragen: "Wart’, due Scheusal! Dir will ich nichts verdanken – und wenn’s das Leben gilt." Vanina kriegt, "wie vernichtet", zuletzt den, den sie nie wollte, verachtet von dem, für den sie alles gegeben hat.
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