Adalbert Stifter: Feldblumen
"Feldblumen": eine Hausbaufantasie. Verwirklichung einer häuslichen Einbildung: "Dort bau ich zwei, drei Landhäuser fast altgriechisch einfach." In der Hausfantasie gipfelt eine vorausgehende Wohnungsfantasie. Einrichtung der Welt mit sehr genauen Vorstellungen: ein Fenster mit Blick, ein Garten (wenn nicht gar ein "Garten ins Unendliche"), Gemälde an der Wand, die Staffelei im Zimmer, "Vater Goethe" bei Bedarf zur Hand. Und das astronomische Gerät für die Einräumung von Unendlichkeit in der so scharf umgrenzten Lebenswelt, die es zu schaffen gilt. Das wichtigste freilich ist die Frau fürs Haus und von der Suche nach ihr erzählen, im spätromantischen Modus, die "Feldblumen".
Spätromantisch heißt hier – in einer Mixtur aus Jean Paul und E.T.A. Hoffmann – mit allerlei Doppelgänger- und Spiegel-Hokuspokus. Die Begegnung mit einer unbekannten Schönen, aus der später die herrliche Angela wird – die in genealogischer Wahrheit allerdings eine Alexandra ist -, findet im Paradiesgarten statt, und im Spiegel. Da sitzt Lacan im Gebüsch und feixt. Der Spiegel nämlich macht sie ganz, die Frau, die Liebe zu ihr, im Imaginären. Die Erzählung bewegt sich, könnte man auch sagen, von solchen Imaginationen (ein Nabob kommt noch dazu, aus eher heiterem Himmel), hin zum Haus. Die Frau, Angela ist ein strenger Engel, von Bildung und im Grunde sehr emanzipiert. Ästhetik und Geschlechterpolitik gehen in eins: Die Zeit der Frau, die stickt, ist vergeudet, da sie zur gleichen Zeit doch denken könnte und schaffen. Stattdessen das Sticken, "dieses langsame tote Nachstechen von Form in Form". Zuletzt freilich sagt sich Angela von allem - hier russisch konnotierten - Exotismus los und
erweist sich zuletzt als häusliches Musterbeispiel ihres Geschlechts, indem sie das Griechische sowie die Verweigerung des Tanzes mit dem Nützlichen zu verbinden versteht: "Sie kann also doch auch kochen – O Titus!"
"O Titus!" Das ganze ist eine Serie von Briefen eines Albrecht an einen Titus, als Tagebuch in jener Sprache verfasst, in der Herz zu Herz spricht. Das Briefformat erscheint als melodramatische Stimmungsschwankungsdarstellungsermöglichungsform. Albrecht ist, von unerfüllten Imaginationen geplagt, der reine Wankelmut. Auf der Suche nach der Bewegungsform Erfüllung; das fulminant gezeichnete Bewegungstableau des Tanzes: "Ich sah durch die Türen in alle Zimmer zurück, die ich durchwandelt hatte, und lud meinen armen Augen die Last aller Bilder derselben auf: den fernen, schwarzen Grund der Männer im Tafelzimmer, undeutlich, wogend und im Lichterrauche schwimmend – auf diesem Grunde gedreht, gewirbelt, gejagt der weiße Kranz der Galoppe, seinerseits wieder zerschnitten durch die stehenden Gestalten und Gruppen im nächsten Zimmer herwärts – durch die wieder manche ganz im Vordergrund wandelnde Gestalt bald eine schwarze, bald eine weiße Linie zog – und auf diesen Wust von Bildern und Farben, noch dazu wankend und wallend in einem betäubenden Lichterglanze, zeichnete sich ihre Gestalt, die einzige ruhige, wie in die wimmelnde, zitternde Luft eine liebliche, feste Fata Morgana."
Dieser Szene wäre das Gesetz der Erzählung abzulesen; vertrackt natürlich in der Aufgipfelung zur "Fata Morgana" als Fee ja nun gerade der Unwirklichkeit in der Wirklichkeit der wankenden und wallenden Nahwelt. In der Anwendung auf die im einzelnen oft richtungslos von Blume zu Blume wankende, wenn nicht wallende Erzählung, hielte die Angela-Fantasie das dann morganenhaft alles zusammen. (Im Imaginären eben.) Daneben aber haufenweise andere Frauen, Paare, Imaginationen, Seen, Maler und eben, Kapitelchen für Kapitelchen, als Titel Blumen, aus zweiter Hand, genauer gesagt: aus der Hand Jean Pauls. Als Halt und Sicherung werden, imaginiert, immer wieder die Griechen ins Feld geführt (auch Angela kann Griechisch), als Name und Marmorbild, bis zur letztlichen nicht re-, sondern eben institutio in integrum: "Die Staffelei, die Tropenpflanzen, die Bilder, die Statuen, die grauen Vorhänge, die Geräte, das Fernrohr (aber es ist ein Plößl), alles, alles ist da." Alles heim ins Heim, das glückliche Ende einer Hausbaufantasie. Fata Morgana in Kochschürze inklusive.
Spätromantisch heißt hier – in einer Mixtur aus Jean Paul und E.T.A. Hoffmann – mit allerlei Doppelgänger- und Spiegel-Hokuspokus. Die Begegnung mit einer unbekannten Schönen, aus der später die herrliche Angela wird – die in genealogischer Wahrheit allerdings eine Alexandra ist -, findet im Paradiesgarten statt, und im Spiegel. Da sitzt Lacan im Gebüsch und feixt. Der Spiegel nämlich macht sie ganz, die Frau, die Liebe zu ihr, im Imaginären. Die Erzählung bewegt sich, könnte man auch sagen, von solchen Imaginationen (ein Nabob kommt noch dazu, aus eher heiterem Himmel), hin zum Haus. Die Frau, Angela ist ein strenger Engel, von Bildung und im Grunde sehr emanzipiert. Ästhetik und Geschlechterpolitik gehen in eins: Die Zeit der Frau, die stickt, ist vergeudet, da sie zur gleichen Zeit doch denken könnte und schaffen. Stattdessen das Sticken, "dieses langsame tote Nachstechen von Form in Form". Zuletzt freilich sagt sich Angela von allem - hier russisch konnotierten - Exotismus los und
erweist sich zuletzt als häusliches Musterbeispiel ihres Geschlechts, indem sie das Griechische sowie die Verweigerung des Tanzes mit dem Nützlichen zu verbinden versteht: "Sie kann also doch auch kochen – O Titus!"
"O Titus!" Das ganze ist eine Serie von Briefen eines Albrecht an einen Titus, als Tagebuch in jener Sprache verfasst, in der Herz zu Herz spricht. Das Briefformat erscheint als melodramatische Stimmungsschwankungsdarstellungsermöglichungsform. Albrecht ist, von unerfüllten Imaginationen geplagt, der reine Wankelmut. Auf der Suche nach der Bewegungsform Erfüllung; das fulminant gezeichnete Bewegungstableau des Tanzes: "Ich sah durch die Türen in alle Zimmer zurück, die ich durchwandelt hatte, und lud meinen armen Augen die Last aller Bilder derselben auf: den fernen, schwarzen Grund der Männer im Tafelzimmer, undeutlich, wogend und im Lichterrauche schwimmend – auf diesem Grunde gedreht, gewirbelt, gejagt der weiße Kranz der Galoppe, seinerseits wieder zerschnitten durch die stehenden Gestalten und Gruppen im nächsten Zimmer herwärts – durch die wieder manche ganz im Vordergrund wandelnde Gestalt bald eine schwarze, bald eine weiße Linie zog – und auf diesen Wust von Bildern und Farben, noch dazu wankend und wallend in einem betäubenden Lichterglanze, zeichnete sich ihre Gestalt, die einzige ruhige, wie in die wimmelnde, zitternde Luft eine liebliche, feste Fata Morgana."
Dieser Szene wäre das Gesetz der Erzählung abzulesen; vertrackt natürlich in der Aufgipfelung zur "Fata Morgana" als Fee ja nun gerade der Unwirklichkeit in der Wirklichkeit der wankenden und wallenden Nahwelt. In der Anwendung auf die im einzelnen oft richtungslos von Blume zu Blume wankende, wenn nicht wallende Erzählung, hielte die Angela-Fantasie das dann morganenhaft alles zusammen. (Im Imaginären eben.) Daneben aber haufenweise andere Frauen, Paare, Imaginationen, Seen, Maler und eben, Kapitelchen für Kapitelchen, als Titel Blumen, aus zweiter Hand, genauer gesagt: aus der Hand Jean Pauls. Als Halt und Sicherung werden, imaginiert, immer wieder die Griechen ins Feld geführt (auch Angela kann Griechisch), als Name und Marmorbild, bis zur letztlichen nicht re-, sondern eben institutio in integrum: "Die Staffelei, die Tropenpflanzen, die Bilder, die Statuen, die grauen Vorhänge, die Geräte, das Fernrohr (aber es ist ein Plößl), alles, alles ist da." Alles heim ins Heim, das glückliche Ende einer Hausbaufantasie. Fata Morgana in Kochschürze inklusive.
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