John Cassavetes: Gloria (1980)

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Gloria

USA 1980

Regie: John Cassavetes
Mit Gena Rowlands

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John Cassavetes: Gloria
Kritik von Ekkehard Knörer

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Gloria, eine Mafia-Gangsterin, muss miterleben, wie die Familie einer Freundin aus nie ganz durchsichtig werdenden Gründen von ihren Mafia-Partnern erledigt wird. Nicht ganz: den jüngsten Sohn hat man vorher bei Gloria in Sicherheit gebracht, nicht ohne die Liebeserklärung „I hate kids, and especially yours". Mit dem Jungen kommt ein ganz offenkundig außerordentlich wichtiges Büchlein, aber das ist ein McGuffin idealtypischer Art, das Ding, hinter dem alle her sind, ohne dass einen interessieren müsste, warum. Aus dem Hinterhersein und den Fluchten, die daraus folgen, ergibt sich die Struktur des Films, der aus einer Reihe von Verfolgungsszenen, Fahrten durch New York, von einer Ecke der Stadt an die andere, besteht, mit einer Reihe von Schusswechseln als Actioneinlagen.

Das alles klingt nach einem straighten und konventionellen Plot, aber die Nacherzählung täuscht eine Kohärenz vor, um die der Film mutwillig weiteste Bögen schlägt. So gehorcht er zum Beispiel keineswegs der von der Konvention eigentlich vorgegebenen Dramaturgie der Steigerung. Sein Gesetz ist die Wiederholung und sein Interesse gilt anderem als dem Plot, dessen Fadenscheinigkeit etwa in der völlig unplausiblen Allgegenwart der Mafiagangster ins Offenkundige gestülpt wird. Statt dass Cassavetes Löcher in seiner Narration verdeckt, stellt er sie aus, macht sich genau mit Umweg-Lust an diesen Löchern zu schaffen. Dasselbe gilt für die Psychologie: das Verhältnis zwischen Gloria und dem Jungen spottet aller Hollywood-üblichen Beschreibung, schlägt den identifikatorischen Wünschen des Betrachters immer wieder den Boden aus. Phil geriert sich als Macho, als Glorias Liebhaber und der Film spielt das mit, balanciert zwischen Ernst und Groteske, ohne je ganz auf die eine oder die andere Seite zu geraten.

Naturalistischen Elementen, etwa den vielen Fahrten und Fluchten durch New York, oft mit der Handkamera gefilmt, setzt der Film mit Kalkül immer wieder genre-reflexive und -parodistische Künstlichkeit entgegen: in der Ikonisierung von Gena Rowlands als schießwütiger Ersatzmutter, im verblüffend selbstbewussten Spiel von John Adames (Phil), in den ganz und gar geschriebenen, und zwar am Realistischen wie am Filmphrasenhaften meilenweit vorbeigeschriebenen, Dialogen. Und in dem im Verhältnis zum Einsatz von Kamera und Darstellern vollkommen überorchestrierten Musikscore von Bill Conti, der wiederum für kontrapunktische und gelegentlich offen parodistische Effekte sorgt. Das Schönste aber ist, dass Gloria zuletzt noch ein herrlich unmotiviertes und umso dicker aufgetragenes Happy End hat, in dem ausgerechnet Pittsburgh zum Sehnsuchtsort wird. Auch hier wieder liegt der Film genau zwischen Erfüllung der Konvention und spielerischem Widerstand dagegen, spielt Verstecken mit dem Blick des Betrachters, spielt die Doppelung von Erfüllung des Zuschauerwunsches und Wissen um den phantasmatischen Charakter der Erfüllung per Übertreibung auf die Bild- und Musikebene hinüber: der Jubel des Wiedererkennens wird übersetzt in eine unverschämte Zeitlupe.

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