Gloria, eine Mafia-Gangsterin, muss miterleben, wie die Familie
einer Freundin aus nie ganz durchsichtig werdenden Gründen von ihren
Mafia-Partnern erledigt wird. Nicht ganz: den jüngsten Sohn hat man
vorher bei Gloria in Sicherheit gebracht, nicht ohne die Liebeserklärung
I hate kids, and especially yours". Mit dem Jungen kommt ein ganz
offenkundig außerordentlich wichtiges Büchlein, aber das ist ein
McGuffin idealtypischer Art, das Ding, hinter dem alle her sind, ohne dass
einen interessieren müsste, warum. Aus dem Hinterhersein und den Fluchten,
die daraus folgen, ergibt sich die Struktur des Films, der aus einer Reihe
von Verfolgungsszenen, Fahrten durch New York, von einer Ecke der Stadt an
die andere, besteht, mit einer Reihe von Schusswechseln als
Actioneinlagen.
Das alles klingt nach einem straighten und konventionellen Plot, aber
die Nacherzählung täuscht eine Kohärenz vor, um die der Film
mutwillig weiteste Bögen schlägt. So gehorcht er zum Beispiel
keineswegs der von der Konvention eigentlich vorgegebenen Dramaturgie der
Steigerung. Sein Gesetz ist die Wiederholung und sein Interesse gilt anderem
als dem Plot, dessen Fadenscheinigkeit etwa in der völlig unplausiblen
Allgegenwart der Mafiagangster ins Offenkundige gestülpt wird. Statt
dass Cassavetes Löcher in seiner Narration verdeckt, stellt er sie aus,
macht sich genau mit Umweg-Lust an diesen Löchern zu schaffen. Dasselbe
gilt für die Psychologie: das Verhältnis zwischen Gloria und dem
Jungen spottet aller Hollywood-üblichen Beschreibung, schlägt den
identifikatorischen Wünschen des Betrachters immer wieder den Boden
aus. Phil geriert sich als Macho, als Glorias Liebhaber und der Film spielt
das mit, balanciert zwischen Ernst und Groteske, ohne je ganz auf die eine
oder die andere Seite zu geraten.
Naturalistischen Elementen, etwa den vielen Fahrten und Fluchten durch
New York, oft mit der Handkamera gefilmt, setzt der Film mit Kalkül
immer wieder genre-reflexive und -parodistische Künstlichkeit entgegen:
in der Ikonisierung von Gena Rowlands als schießwütiger Ersatzmutter,
im verblüffend selbstbewussten Spiel von John Adames (Phil), in den
ganz und gar geschriebenen, und zwar am Realistischen wie am Filmphrasenhaften
meilenweit vorbeigeschriebenen, Dialogen. Und in dem im Verhältnis zum
Einsatz von Kamera und Darstellern vollkommen überorchestrierten Musikscore
von Bill Conti, der wiederum für kontrapunktische und gelegentlich offen
parodistische Effekte sorgt. Das Schönste aber ist, dass Gloria zuletzt
noch ein herrlich unmotiviertes und umso dicker aufgetragenes Happy End hat,
in dem ausgerechnet Pittsburgh zum Sehnsuchtsort wird. Auch hier wieder liegt
der Film genau zwischen Erfüllung der Konvention und spielerischem
Widerstand dagegen, spielt Verstecken mit dem Blick des Betrachters, spielt
die Doppelung von Erfüllung des Zuschauerwunsches und Wissen um den
phantasmatischen Charakter der Erfüllung per Übertreibung auf die
Bild- und Musikebene hinüber: der Jubel des Wiedererkennens wird
übersetzt in eine unverschämte Zeitlupe. |