Die Ur-Szene des Rache-Westerns: alle Anverwandtschaft wird
getötet, der Mann wandert ruhelos durch die Wüste, bis er den
Täter zur Strecke gebracht hat. Hier sind die Opfer ein ganzes mexikanisches
Dorf, der Mann ist ein Kind, das an einen Priester gerät und jede Erinnerung
an die per Maschinengewehr begangene Bluttat verweigert. Das Schicksal aber,
in Gestalt seiner mit dem Zirkus davongelaufenen, in einem Bordell gelandeten
Stiefschwester, ruft ihn, ohne dass er etwas ahnt, an den Ort des Verbrechens,
nach San Antonio, wo George Bello Ferguson ein
sklavenhalterisch-totalitäres Regime führt und sich, als hätte
er zu allem Überfluss noch Nietzsche gelesen, für den letzten
Aristokraten der Welt hält.
Der Rächer als Priester-Adoptivsohn hat keinen Namen, bekommt
ihn aber sogleich: wenn er tötet, spricht er ein letztes Gebet für
seine Opfer, sie mögen in Frieden ruhen, Requiescant. Und er ist, wie
zur Rache geboren, ein unfehlbarer Schütze, immer wie in Trance, mit
einem Milchbubengesicht. Damit kontrastiert, im Personal, Ferguson entschieden,
Mark Damon mit Augenringen wirkt wie aus einem Corman-Horrorfilm in diesen
Spaghetti-Western geraten (was kein Wunder ist, er hat zuvor in der "House
of Usher"-Verfilmung gespielt) und gleicht Lou Castels schauspielerisches
Understatement durch wonnevolles Overacting wieder aus. Es kontrastiert aber
auch, mit Requiescants Friedensstifter-Anschein, seine Wut und seine Lust
am sadistischen Spiel. Jedenfalls ist es ein seltsames Verständnis von
Fairness, mit dem er sich mit dem Handlanger Fergusons in einem
Schützenwettbewerb mit umgelegtem Henkerseil misst. Der kommt,
natürlich, um, und zwar mit Musikbegleitung.
Die wiederum stammt von einer Partisanenbande von Mexikanern,
angeführt von einem befreiungstheologisch aufgerüsteten Priester
namens Don Juan - mit aristokratischer Strenge gespielt vom Christo-Marxisten
Pier Paolo Pasolini. Gemeinsam, Gott im Herzen (der eine), die Waffe in der
Hand (der andere), beseitigen sie den Sklavenhalter. Der Film ist ein Rachedrama
in blutigen Stationen. Er versteigt sich immer wieder ins Surreale, etwa
wenn mehr als ein Jahrzehnt nach dem anfänglichen Gemetzel die Gebeine
(ersichtlich aus Plastik) noch auf dem Schlachtfeld bleichen - und erst bei
Wiederherstellung der Gerechtigkeit eingesammelt werden. Der Dekor ist so
sehr Kulisse wie die Wege des Plots, die Auftritte der Figuren mit Realismus
nichts zu tun haben (wollen). Die Künstlichkeit der Form tendiert in
Richtung Theater, aber in satten, leuchtenden Farben, ähnlich wiederum
wie bei Cormans Poe-Adaptionen. Nicht im ganzen, aber in einzelnen Szenen,
verdichtet sich die Handlung ins Emblematische, die Faszination liegt gerade
darin, dass zusammengebracht wird, was nicht zusammenpasst:
Italo-Western-Sadismus, marxistische Agenda, Religion und Horrorfilm. |