F.W.Murnau: Tartüff  (D 1925)

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F.W.Murnau: Tartüff  (D 1925)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Nicht nur einen Film haben Drehbuchautor Carl Meyer und Murnau aus Molières Tartuffe gemacht, sondern einen Film im Film. Als moralische Anstalt: ein Enkel führt seinem Großvater und dessen Haushälterin das Stück vom heuchlerischen Frommen vor, als Film, der Parallelität der Konstellation wegen. Auf der Leinwand ist die Wahrheit, der Übergang ist zwar, jedoch als gleitender, markiert. Der Vorführer löscht die Kerze und im ersten Bild des zweiten Films wird sogleich wieder eine entzündet. Hübsch absurder Anachronismus: die Kerzen-Blende.

Um fast nichts anderes geht es in Tartüff als um Blicke. Entlarvung im Off der Beteiligten. Die Haushälterin und ihr diebisches Lachen, sobald der Großvater anderswohin sieht. Rechts und links gekascht der erste verstohlene Blick durch eine Tür, der Enkel beobachtet die Haushälterin, wie sie Gift ins Glas mischt. Dadurch präfiguriert: die Entdeckungsszene des Films im Film, inszeniert recht eigentlich als Film im Film im Film. Der Blick des Zuschauers geht durchs Schlüsselloch; ohne Kasch interessanterweise. Die Wahrheit, wiederum, leinwandfüllend. Ins Leere ging zuvor die Demonstration vom wahren Adam hinter Tartüffs frommer Fassade, weil der Beobachter ins Bild geraten ist, per Spiegeleffekt. Wir, nur wir, sehen alles, ansonsten sind die Einsichten sehr ungleich verteilt, was für hübsche Ironien sorgt. Natürlich haben wir - wie Elmire, Orgon aber nicht - das Stieren Tartüffs aufs entblößte Bein, aufs Dekolletee Elmires mitbekommen. Die Kamera stößt uns mit den Augen darauf.

Einmal der Blick in die Kamera, die direkte Publikumsansprache des Enkelsohns. Auch uns, heißt das, wird etwas vorgeführt. Der Zuschauer als Partner, platziert in seinem Verhältnis zum Geschehen, als Augenzeuge nicht mittenmang, aber auch nicht in sicherer Distanz. Seltsam wie schon in 'Schloss Vogelöd' die wiederholten establishing shots auf das Gebäude, diesmal nicht von oben, sondern frontal - scheinbar funktionslos nichtsdestoweniger. Denn was soll damit erzeugt werden: Geschlossenheit oder Distanz? A sense of place? Aber wird der nicht gerade durch die Künstlichkeit dieses falsch totalisierenden Blicks irritiert? Dagegen steht, kurz vor dem Schlüsselloch-Film, eine schöne Kamerabewegung, die nach links, treppab, nach rechts, treppab, der Dienerin folgt, ungeschnitten. Hier auch wieder eine der wunderbaren Lichtinszenierungen im Treppenhaus, durch das die Kerzen (wiederum!) als natürliche Lichtquellen getragen werden. Licht und Schatten werden so ganz ungezwungen sekündlich umverteilt, am eindrucksvollsten anfangs, lustvolles Spiel mit dem Geländerschatten.

Rokoko haben Murnau und Mayer aus Molière gemacht, die Moral interessiert sie gerade nicht, nur die Eleganz der Blickführungen. Es kommt dabei nicht auf Subtilitäten an und nicht auf Doppeldeutigkeiten, alles wird - im Film im Film - zu einer Deutlichkeit ausgespielt, für die der wahrhaft dicke Auftrag Emil Jannings' nur das schmierenkomödiantischste Beispiel ist. Etwas anders liegt die Sache in der Rahmenerzählung. Denn hier kommt die Wahrheit nur durch Verkleidung und Schwindel ans Licht - das wieder sehr buchstäblich: der Kinosaal wird hell, die Gesichter der beiden Zuschauer werden mit Licht geradezu beworfen. Und ob dem Enkel, ein Schauspieler führwahr, ganz zu trauen ist: das fragt sich. Nach seinen letzten Worten ohnehin.

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