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Mikio Naruse: Three Sisters With Maiden Hearts (Japan 1935)
Von Ekkehard Knörer
"Three Sisters With Maiden Hearts" ist ein Film, der mit erstaunlicher formaler
Durchlässigkeit von nichts als verbauten Wege erzählt. Für
alles Rettende offen, denkt man, der Anfang. Die dokumentarischen Aufnahmen
zu Beginn, die Innenstadt Tokios, Menschen, Bewegungen, Schnitte, das
Revuetheater, die Begegnung auf der Straße, die Ich-Erzählerin
und der kaputte Schuh, das kommt hier zusammen, als sei es ein Leichtes,
hier zu sein und dann gleich schon da. Die Lust, mit der die Kamera dem
Liebespaar am Ufer des Flusses folgt, der westlich gekleideten Tänzerin
Chieko und ihrem Liebhaber, dem Sohn des Restaurantbesitzers. Die Fahrt neben
dem Gang die Uferpromenade entlang, er hinter ihr, eine Choreografie, dann
stehen sie beisammen, die Kamera schwenkt hinunter auf die Schuhe, westliche
Damenschuhe an ihren Füßen und traditionell japanische an seinen.
Dieser offene Raum aber schließt sich, sobald es nach Hause geht, wo
die Mutter ein strenges Regime führt, aber, denkt man, vor allem als
Vertreterin des Realitätsprinzip, das schlicht lautet: Es fehlt an Geld.
Und nicht lange kann es scheinen, als gehöre die Umstandslosigkeit,
mit der hier Rückblenden eingeschoben, Vorgeschichten erzählt werden,
Schwenks den Raum als rasch durcheilbar darstellen, ins selbe Register der
Durchlässigkeit. Dann aber ist es viel eher das Unscharf- und
Undurchsichtigwerden der Gegenwart, das die Rückblenden markiert, auf
die alles hinaus- und aufläuft. Die Schwenks führen nicht ins Freie.
Die Aussicht auf Zukunft wird blind. Hoffnung verschwimmt. Die ältere
Schwester Oren, die immer vom Hochhausdach auf die Stadt blickte, die das
Haus verlassen hat und in den Augen der Mutter als schlechtes Vorbild für
die Geschwister dasteht, muss aufs Land, zu den Eltern ihres Mannes, der
sterben wird. Szenen zu Hause, Innigkeiten der Schwestern, die eine, die
trostlos tröstet, die andere, die nicht unterzukriegen ist. Dazwischen
das Geldverdienen in den Gaststätten und Bars, die Musik, die allen
auf die Nerven fällt, die Demütigung durch dicke Männer und
ungeduldige Bedienungen.
Dann Wendungen vor, Wendungen zurück. Geschehen, das sich
überstürzt. Eine Intrige, knapp eingeschoben, mit furchtbarem Ende.
Die ältere Schwester eilt zum Bahnhof, wahrt den Schein, setzt sich
auf eine Bank, hat das letzte Wort: "Es ist vorbei." Und stirbt. |