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Mikio Naruse: Wife! Be Like a Rose! (Japan 1935)
Von Ekkehard Knörer
Die Geschichte einer missglückenden Familienzusammenführung; also,
im Kern, wieder: das schiere Unglück. Hier aber mit Anteilen wohl nicht
eines Gelingens, aber doch einer Richtigkeit versetzt. Das Richtige ist nicht
gut, aber es ist klar, dass ein falsches Glück, und also das Glücken
der Familienzusammenführung, ein noch größeres Unglück
wäre.
Als Plot geht das so: Eine Mutter, die Gedichte schreibt, eine Tochter, die
gerne heiraten will. Was fehlt, spürbar abwesend ist, ist der Ehemann
und Vater. Man erfährt, nach und nach, wo er steckt. Denn tot ist er
nicht. Eines Tages etwa sieht ihn die Tochter in der Stadt, eilt ihm hinterher,
er ist verschwunden. Sie glaubt, er wird am Abend nach Hause kommen, sie
bereitet aufwendig ein Mahl (ihre Liebe zum Leben steckt, könnte man
fast sagen, in der Sorgfalt, die sie auf die Bereitung des Essens wendet;
das Abdecken und Aufdecken der Speisen ist ein Fest für sich). Die Familie
wartet, wir blicken mit der Tochter auf die Uhr, die der Mutter die große
Überraschung nicht verraten will. Wir blicken mehrmals auf die Uhr und
es erscheint nur der Onkel. Der Onkel ist ein seltsamer Mann. Als ihn die
Tochter vorher besucht hat, hat er zu singen begonnen. Vogelkäfige mit
Vögeln sind in seiner Wohnung, sie zwitschern, aber er singt. Die Tochter
muss lachen, also ist - wer wäre ich, es zu beurteilen - der Gesang
nicht der eines Meisters. Dieser Onkel also erscheint. Er singt diesmal nicht,
ist aber betroffen, als er begreift, dass Mutter und Tochter auf den Ehemann
warten. Der bleibt aus.
Die Mutter: Sie ist eine Dichterin. Oft kommt sie nach Hause und eilt an
den Dichtertisch, greift zur Dichterfeder und schreibt mit Dichtertusche
ihre Gedichte, die dann in einer Zeitung veröffentlicht werden. Sie
trauert in den Gedichten um den Mann, der sie verlassen hat. Als die Tochter
und ihr Verlobter einmal schon zuhause sind, als die Mutter hereinrauscht
und grußlos an den Dichtertisch eilt, erläutert die Tochter: Sie
hat eine "Inspiration". Wenn ich recht gehört habe, ist es das englische
Wort, inspiration. Der Verlobte wird es wiederholen, wann immer die Dichterin
inspiriert vorübereilt. Die Mutter ist, inspiriert oder nicht, eine
schwierige Person. Von einer passiven Aggressivität, die sich dem Betrachter
vermittelt. Sie leidet und legt Wert auf die Tapferkeit, mit der sie davon
schweigt. Es ist mit dieser Mutter nicht leicht auszuhalten in den vier oder
mehr dünnen Wänden des japanischen Hauses. Sogar die Kamera zieht
sich manchmal zurück, vor das Haus, hinter eine pflanzengeschmückte
Balustrade, es ist ein Balken und Strich im Bild (und gleich zu Beginn setzt
Naruse, das fällt mir jetzt wieder ein, Striche ins Bild, wenn er das
Herauf- und Herunterziehen einer Jalousie zeigt, beim Blick aus dem Fenster
hinaus in die Stadt; an diesen Ort des Beginns, das Fenster des Büros,
in dem die Tochter arbeitet, kehrt der Film im übrigen nicht mehr
zurück) - vor dem Haus also, mit dem Balken der Balustrade und
natürlich der Hauswand und so weiter im Bild, fährt die Kamera
manchmal von rechts nach links und von links nach rechts und zeigt das Geschehen
im Haus als eines, das sie mit Distanz von außen beobachtet.
Außen/der Vater: Er lebt, erfahren wir, auf dem Land. Wir sehen ihn
in einem Bach stehend. Er sucht, scheint es, nach Gold. Er wird, scheint
es, nicht fündig. Die Tochter kommt an, sie sucht ihn auf, um ihn
zurückzuholen. Weil sie für die geplante Hochzeit seine Zustimmung
bzw. seine Vermittlung mit den Schwiegereltern braucht. Und weil sie die
Familie wiederzusammenführen will. Freilich lebt er auf dem Land mit
einer anderen Frau. Er hat mit der anderen Frau, die früher eine Geisha
war, zwei Kinder, eine Tochter, die vielleicht fünfzehn ist und einen
jüngeren Sohn. Sehr lange schon muss er diese zweite Familie gehabt
haben. Die Tochter, die gekommen ist, den Vater zu holen, sieht, dass er
- schon gar für Narusesche Verhältnisse - nicht unglücklich
ist, hier, auf dem Lande, auf der Suche nach Gold. Recht schlau wird man
nicht aus dem Vater. Es ist ihm nicht gegeben, zu sagen, was er empfindet.
Er weiß auch nicht recht, was tun. So kommt er mit in die Stadt.
Sie verbringen, die alte Familie, Mutter, Vater, Tochter, ein paar Tage.
Er kommt seinen Vermittlerpflichten als Vater nach. In der Kabuki-Vorstellung
schläft er ein. Er möchte Sake trinken, daran hat die Mutter kein
Interesse. Die Mutter, der Vater (das Paar): Sie haben einander nicht das
mindeste zu sagen. Die Tochter sieht es, der Onkel will es nicht sehen. Also
kehrt, mit dem Segen der Tochter, der Vater zurück aufs Land. Er wird
kein Gold finden, aber das Glück, das ihm zugemessen ist, wird er da
haben. |