Ron Fricke: Baraka (USA 1992)
Dass Regisseur Ron Fricke dereinst bei Koyaanisqatsi für
Kamera, Schnitt und Drehbuch verantwortlich zeichnete, sieht man Baraka
natürlich in jeder Sekunde an. Hier wie dort bewegt man sich im
Spannungsfeld von Dokumentar-, essayistischem und inszeniertem (Spiel-)Film
und regt mit oft atemberaubend schönen Bildern zur Meditation an. Die
Frage, inwiefern sich ein solches ideales Rezeptionserlebnis ohne den Kinosaal
und dessen Bedingungen einstellt, mag berechtigt sein, doch strahlt der Film
auch noch auf dem heimischen Fernsehgerät eine kontemplative Ruhe aus,
die den Gedankengängen förderlich ist.
Baraka ist über mehrere Monate hinweg und rund um den Globus
entstanden. Ein festes Drehbuch gab es nicht, nur ein Treatment, eine
Absichtserklärung also gewissermaßen. Die Motive fand das Team
auf mehreren Reisen rund um die Welt, Bilder wurden vor Ort konzipiert und
eingefangen, der Film selbst entstand schließlich erst in der Sortierung
durch die Montage in den heimischen Studios. Von Koyaanisqatsi unterscheidet
man sich dann aber doch. Nicht nur verleiht die zwischen sphärischen
Klängen, Industrial-Soundwänden und beatlastigen Ethno-Tracks pendelnde
Musik von Dead Can Dance dem Film ein anderes Timbre als die repetitive minimal
music von Philip Glass, auch die Dramaturgie der Montage will sichtlich auf
anderes hinaus. Während in Koyaanisqatsi die dramaturgische Ausarbeitung
der Gegensätze Natur-Kultur (und vielleicht noch: Industrie) beinahe
schon spielfilmartigen Charakter annimmt, entspricht Baraka eher einem breit
angelegten Panoramablick im 70mm-Format, der unterschiedliche Kulturen und
deren Ungleichzeitigkeiten, wie auch die unterschiedlichen Landschaften der
Erde in sich aufnimmt; eine Steigerung, wie Koyaanisqatsi sie entwickelt,
um zunehmend eine apokalyptische Stimmung aufzubauen, liegt hier, trotz einiger
aufwühlender Elemente (etwa die Umstände in einer tierverarbeitenden
Fabrik), kaum vor. Eher geht es um spontane Assoziationen, oder aber auch
schlicht um ästhetischen Genuss.
Dass Baraka sich hierfür der grundlegenden filmischen Mittel
zur Verfremdung bedient, ist naheliegend. Jede Aufnahme ist, wiewohl quasi
dokumentarisch, durchkomponiert; die Kamera steht, dem Bild unterworfen,
stets millimetergenau und mit Zweck an ihrer Stelle. Manipulierte
Aufnahmegeschwindigkeiten lassen beispielsweise Wolken in Sekundenschnelle
über weite Steppen flitzen oder charakterisieren den Stop-And-Go-Verkehr
westlicher Metropolen als amüsante, dann aber auch als bedrohliche
Angelegenheit. Diese Vorgehensweise dient jedoch nicht allein dem "schönen
Bild" oder gar einem inhaltsleeren Ästhetizismus, sondern entspricht
zuweilen jener Tradition von Filmverständnis, die in den filmischen
Mitteln eine Möglichkeit zur Untersuchung von Realität sieht, die
sich dem blanken Auge im Alltag nicht erschließt. In seinen besten
Momenten - gerade in jenen Bildern der Metropolen - emanzipiert sich Baraka
deshalb vom bloßen Bild und eröffnet anhand seiner optischen Mittel
- vielleicht einem Mikroskop nicht unähnlich - einen neuen Blick auf
die vermeintliche Natürlichkeit bekannter Alltagsstrukturen. Diese Ebene
vermisst man allerdings ein wenig während der Sequenzen, die indigene
Kulturen zeigen: Hier ist der Blick, was auch mit den Kompetenzen der hiesigen
Zuschauer zusammenhängen mag, beinahe schon ein exotistischer und,
beispielsweise, weit von dem um Verständnis und Kommunikation bemühten
Blick in den Filmen Werner Herzogs entfernt. Die Naturaufnahmen schließlich
bedienen über weite Strecken eine blanke Mystik. Das kann man nun
schätzen oder auch nicht - auf jeden Fall sieht es, ohne Zweifel, sehr
schön aus.
Ein solcher Film bedingt natürlich eine bildqualitativ besonders
überzeugende DVD. Und bis auf die gelegentlich etwas "schwachen"
Schwarzflächen (die man mit dem Fernsehregler ausgleichen kann) hat
man hier hervorragende Arbeit geleistet. Das Bild ist bemerkenswert rauschfrei
und erfreulich detailscharf. Auch die Tonuntermalung fällt glasklar
und dynamisch aus, so dass ein entspanntes Filmerleben auch ohne Leinwand
garantiert werden kann. Das Zusatzmaterial entspricht gängigen Standards
und macht Sinn: In einem interessanten Making-Of beleuchten die Macher den
nicht selten abenteuerlichen Entstehungsprozess des Films. Gerade im Kontrast
mit dem eigentlichen Film nimmt sich schließlich ein knappes Behind
the Scenes Feature recht spannend aus: Nicht nur wird in den groben Aufnahmen
von den Drehplätzen die Rolle der Kamera und ihrer Technik für
den fertigen Film bewusst, es zeigt sich auch, wie stark Film im Allgemeinen
und dieser im Besonderen ästhetisch zu überhöhen vermag. In
einigen Interviews kommen schließlich nochmals die Beteiligten zu Wort,
um ihre Anliegen und ihre Einschätzung des Films zu
äußern.
Alles in allem: Eine gelungene Edition, die Freunden des Films ohne
weiteres empfohlen werden kann.
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