Bullet in the Head (Hongkong, 1990)
Bullet in the Head, 1990 von John Woo in Hongkong gedreht,
ist bis heute ein tragischer Fall der deutschen Filmzensur: Obwohl der Film
weltweit als Woos großes Meisterwerk gilt, gelegentlich sogar als der
asiatische The Deer Hunter (USA 1978) bezeichnet und - trotz Kassenflops
in der Heimat - als einer der besten Filme der Hongkonger New Wave angesehen
wird, der obendrein großen Einfluss auf die immense internationale
Popularität des Hongkong-Kinos in den Neunzigern hatte, war und bleibt
der Film hierzulande auf dem Index, mit den bekannten Konsequenzen: Keine
öffentliche Bewerbung, kein Verkauf in öffentlich zugänglichen
Medienkaufhäusern, kein Verkauf über das Internet und eine
erhöhte Besteuerung. Auch aus diesem Grund ist uns beispielsweise die
Illustration dieser Besprechung mit einem Coverbild untersagt. Unter diesem
Gesichtspunkt betrachtet, muss man wohl schon damit zufrieden sein, dass
sich überhaupt ein Anbieter dazu entschlossen hat, den Titel in einer
ungeschnittenen Fassung zu veröffentlichen - auch wenn das Ergebnis
an und für sich kaum gelungen ist.
Erzählt wird die Geschichte dreier jugendlicher Freunde im Hongkong
der späten 60er: Ben, Frank und Tom. Ihr Alltag ist von Gewalt bestimmt:
Auf den Straßen werden protestierende Studenten von den
Ordnungskräften niedergeschlagen, am Nachmittag vertreibt man sich die
Zeit mit brutalen Keilereien unter Gleichaltrigen. Als bei einem
Racheüberfall auf eine andere Gang deren Leader zu Tode kommt,
flüchtet man ins nahe Kriegsgebiet Vietnam. Dort erhofft man sich mit
einem schnellen Deal ebenso schnellen Reichtum, doch schlägt die Aktion
in den chaotischen Zuständen des Krieges fehl. Man gerät in
vietnamesische Gefangenschaft und wird von den Lageraufsehern aufgrund eines
dummen Zufalls mit fatalen Folgen fälschlicherweise für Spione
des CIA gehalten. Als die Flucht unter dramatischen Bedingungen gelingt,
geht die Freundschaft der drei an Toms Raffgier zugrunde: In dem Glauben,
den schwer verwundeten Frank zu erlösen, jagt er ihm eine Kugel in den
Kopf. Doch die Kugel tötet Frank nicht: Er fristet von nun als
schmerzgetriebener Geisteskranker in der Hongkonger Unterwelt eine
Schattenexistenz. Ben nimmt Rache ...
Wenngleich Woo seine verschiedenen Gewaltdiskurse - reale politische
Gewalt, coole Actionfilm-Gewalt, harte psychische Militärgewalt, etc.
- vor allem in dieser Melange nicht immer ganz sicher im Griff hat, erzählt
er doch eine spannende, dramatische und abwechslungsreiche Geschichte, der
das klassische coming out of age Drama als Folie dient, um den Verfall
freundschaftlicher Werte unter chaotischen Bedingungen nachzuzeichnen.
Interessant ist der Film vor allem vor dem historischen Hintergrund der
Beziehungen zwischen China und Hongkong zum Zeitpunkt seiner Entstehung:
Ein Jahr nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens in Peking zitiert
Woo hier deutlich die internationale Berichterstattung und lässt im
Zuge seiner Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und
Ordnungskräften, die sich immer wieder wie beiläufig in die Handlung
drängen und oft deren Kulisse bilden, einen Einzelnen stumm vor einen
Panzer treten. Damit bringt Woo seine Sorge wie die vieler Hongkong-Chinesen
zum damaligen Zeitpunkt bezüglich der Wiedereingliederung der Ex-Kolonie
in die Volksrepublik China prägnant zum Ausdruck und erweitert seinen
Film - seinen persönlichsten, wie er oft unterstreicht - somit auch
um politische Dimensionen.
Auch wenn es erfreulich ist, dass dem Film eine ungeschnittene Fassung
gegönnt wird, macht sich nach der langen Vorfreude doch etwas
Ernüchterung breit: Auf der DVD finden sich weder Extramaterial noch
die Originaltonspur. Mag man ersteres vielleicht noch leicht verschmerzen,
ist zweiteres dann doch ein erhebliches Manko. Die Synchronisation ist zwar
durchaus gelungen und qualitativ weit oberhalb der typischen Synchronisationen
asiatischer Filme anzusiedeln, doch gehen dem Kenner vor allem in den
dramatischen Lagersequenzen einige Nuancen des Spiels verloren, ganz abgesehen
davon, dass ein vorhandener Originalton mittlerweile eigentlich zum
Standardrepertoire jeder DVD gehören sollte. Auch die Bildqualität
vermag nur wenig zu begeistern: Auch wenn ein direkter Vergleich mit anderen
Fassungen (etwa mit dem britischen VHS-Tape oder den beiden Hongkong-DVDs)
leider nicht möglich ist, scheint man hier nicht viel aus dem Film geholt
zu haben. Das Bild stellt sich als konturenarm und entsprechend unscharf
heraus und liegt außerdem mit 1,66:1 auch noch im falschen Format vor.
Die Kontraste fallen eher gering mit entsprechend flächigem Effekt für
das Bild aus, zudem ist in den ersten Minuten ein leichter Gelbstich zu bemerken,
der ganz plötzlich, mitten in einer Einstellung, auffällig verschwindet
- es scheint sich dabei also nicht um ein bewusstes Stilmittel zu handeln.
Ein vor allem zu Szenewechseln gelegentlich instabiles Bild trägt ebenfalls
nicht groß zur Freude bei. Alles in allem hat man somit eher den Eindruck,
ein VHS-Tape von Mitte der Neunziger zu sichten, statt eine DVD aus dem Jahr
2004. Da obendrein auch noch einige handlungstragende Sequenzen in
vietnamesischer Sprache nicht untertitelt wurden (obwohl diese etwa in den
internationalen Fassungen Untertitel aufweisen), muss man sich bald leider
ernsthaft fragen, ob man sich, von der in der Tat recht schönen
Covergestaltung mal abgesehen, mit dieser Veröffentlichung überhaupt
Mühe machen wollte. Es hätte ein kleiner Glücksfall werden
können, leider wurde es, auf technischer Ebene, ein Reinfall.
Schade. |
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Technische Details:
Bildformat: 1,66:1 Letterbox
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital Mono)
Untertitel: -
Regionalcode: 2
Zusatzmaterial:
Trailer
(Thomas Groh) |