Hatchet for the Honeymoon (Italien/Spanien 1969/70)
Im Gegensatz zu Dario Argento, den man (auch wenn er das gerne von
sich weist) in vielerlei Hinsicht als dessen Schüler bezeichnen darf,
harrt das Werk von Mario Bava noch der Entdeckung auf breiter Ebene. Von
einem eingeschworenen Zirkel zwar hochverehrt, sind seine Filme heutzutage
nahezu vollkommen aus der Wahrnehmung verschwunden. Auch die bislang nicht
sonderlich erquickliche Editionslage mag dazu beigetragen haben: Nur wenige
Titel seiner Filmografie, die vom Giallo, der spezifisch italienischen
Ausformulierung des Krimi- und Thrillerkinos, über Western, Science
Fiction, Horror und Sandalenfilme die gesamte Spannbreite der Blütezeit
des italienischen Genrekinos umfasst, sind hierzulande verfügbar. Umso
erfreulicher ist es, wenn dieser bislang spärlichen Auswertung ein kleines
Mosaiksteinchen hinzugefügt wird, ein qualitativ recht hochwertiges
obendrein.
Wobei anzumerken ist, dass mit Hatchet for the Honeymoon nun
vielleicht nicht unbedingt der idealste Einstieg in Bavas Filmografie seinen
Weg auf DVD gefunden hat, wenngleich sich doch nahezu alle Motive und Eigenheiten
seines filmischen Schaffens hier versammelt finden. Eher schon orientiert
sich die narrativ sehr offene Gestaltung, die Vernachlässigung von
Plausibilität und schauspielerischem Können zugunsten vor allem
der rein optischen Ebene an bereits Bava-feste Filmenthusiasten, die diese
für weite Teile des Publikums sicher sperrigen Elemente, die gewiss
auch der spezifischen Situation der Produktion kommerzieller Filme im
italienischen Studiosystem der späten 60er Jahre geschuldet sind,
einschätzen und einordnen können. Auf recht assoziative Art und
Weise wird die Geschichte von John Harrington erzählt, dem Inhaber eines
Pariser Modesalons für Brautkleider, der eher geringen Gewinn abwirft.
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Auf dem Anwesen seiner wohlhabenden Gattin Mildred ist ihm dennoch
ein Leben in Luxus und Annehmlichkeiten möglich, auch wenn die Ehe
bestenfalls in Scherben liegt. Von Beginn an wird zudem klar, dass John
erhebliche psychische Probleme hat: Die ersten Sequenzen, die bereits Bavas
Betonung der rein optischen Ebene veranschaulichen, zeigen ihn beim Mord
eines jungen, frischverheirateten Pärchens. Als er sich daraufhin dem
Publikum per Offkommentar vorstellt, räumt er frank und frei ein, paranoid
und psychisch gestört zu sein. Er könne sich darüber aber
gut amüsieren. Umgetrieben wird er von Erinnerungsfragmenten, die er
kaum zu deuten und einordnen vermag, doch gelangt er schnell zu der Erkenntnis,
dass mit jedem Mord an einer Braut sich das Puzzle ein wenig lüftet.
Ein Kommissar ist dem Vorläufer des "American Psycho" aus den frühen
70er Jahren bereits dicht auf den Fersen.
Wer einen Krimi erwartet, kann hier nur enttäuscht werden. Schon
von erster Minute an ist klar, dass der kriminologische Aspekt der Handlung
keine weitere Beachtung finden wird: Der Mörder steht von Beginn an
fest. Auch der Umkehrschluss ist nicht möglich: Wie sich die Schlinge
schlussendlich zuziehen wird, die Polizei dem Mörder auf die Schliche
kommt, spielt keine Rolle: Der polizeiliche Ermittler scheint von Beginn
an auf ganz natürliche Weise zu Harringtons Leben zu gehören und
dringt nicht erst sukzessive in dieses ein. Nein, Bava formuliert hier die
Vorgaben des Giallo, den er mit The Girl who knew too much vorskizzierte
und nur wenig später mit Blutige Seide auf den Punkt brachte, konsequent
aus, indem er das Geschehen radikal subjektiviert, das "schöne Morden"
- eine der Grundkonstanten des Giallos - wie auch den psychopathologischen
Geist dahinter zum eigentlichen und bestimmenden Element des Films ernennt.
Nicht zuletzt die Tatsache, dass an einer Stelle des Films im Fernsehen einige
Szenen aus Bavas Die drei Gesichter der Furcht, eine gotisch-gruselige
Kurzgeschichtenanthologie, zu sehen sind, charakterisiert Hatchet als eine
Art Meta-Bava: Auch der Umstand, dass Harrington zum Ende hin von einer
Geisterscheinung seiner im Verlauf ermordeten Ehefrau in den Wahnsinn getrieben
wird - eine Schnittstelle also zwischen Bavas Gialli und seinen stets auch
von Poe und Corman inspirierten Gruselfilmen, die sich in Blutige Seide zumindest
auf ästhetischer Ebene bereits andeutet -, lässt ähnliche
Schlüsse zu. So finden sich, neben der wie stets exquisiten Kameraarbeit,
die hier ihr Heil vor allem im exzessiven Gebrauch der Raumverzerrung des
Widescreenformats sucht, und der expressiven, kunterbunten Farbgebung noch
zahlreiche andere Motive wieder: Die surreal dem Geschehen enthobene Sequenz
etwa, in der Harrington seine sorgfältig low-key ausgeleuchteten
Ansteckpuppen vor alteuropäischer Kulisse umgarnt und betört,
könnte in ähnlicher Form auch in Blutige Seide zu sehen sein. Wie
überhaupt die latente Künstlichkeit in der Charakterisierung der
verschiedenen Figuren - mehrmals werden die Menschen und die Puppen mittels
der Montage zueinander in Bezug gesetzt -, wie auch deren Befangenheit in
ihrer Umgebung, durch die Gegenstände, die sie Zeit ihres Lebens
angehäuft hatten, bei Bava auch immer eine Rolle spielen. Gerade die
bisweilen mehr als hölzernen Darbietungen der Darsteller unterstreichen
diesen Effekt noch und gehen, wenngleich sicher auch dem Budget geschuldet,
ohne weiteres auch als künstlerisches Konzept der Filmgestaltung
durch.
Unterm Strich stellt Hatchet for the Honeymoon eine kleine
Entdeckung des italienischen Genrekinos dar, die Bava-Fans ohne weiteres
das Herz in der Brust höher schlagen lassen sollte. Ein, trotz seiner
Thematik, sehr entspannender, oft geradezu traumgleich vor sich hin
plätschernder Film vor mondäner Kulisse mit vielen optischen Finessen,
die selbst aus den Schwächen der Produktionsbedingungen noch Gewinn
schlagen. Wer sich an diesen außergewöhnlichen Filmemacher des
italienischen Kommerzkinos noch herantasten muss, ist indes gut damit beraten,
Hatchet for the Honeymoon erst nach dem Umweg über ein paar andere,
etwas leichter goutierbare Filme aus Bavas reicher Filmografie zu
sichten.
Auch die DVD selbst gibt im übrigen Grund zu Freude. Wie immer
bei Koch Media stilecht eingekleidet und rein äußerlich somit
hübsch anzusehen, geben auch die inneren Werte keinen Grund zur Klage.
Bavas Film liegt in einer atemberaubenden Bildqualität vor, die durch
ein detailscharfes Bild, satte Farben und hohe Kontrastwerte dem optischen
Leckerbissen Hatchet for the Honeymoon eine wichtige Basis liefert. Auch
wenn die deutsche Synchronisation mitunter etwas steif und steril klingt,
lässt auch der rauschfreie, dynamische Ton keine Wünsche offen.
Alleine vielleicht die Extras hätte noch etwas großzügiger
ausfallen können: Der Kinotrailer und eine kurze Fotogalerie mit Stills
aus dem Film ist nicht gerade atemberaubend. Immerhin aber liegt der DVD
noch ein 4seitiges, schick gestaltetes Booklet (eher ein Faltblatt) bei,
in dem Uwe Huber wieder Wissenswertes und Hintergrundinformationen zum Film
zum Besten gibt. Ein rundum mehr als solider Release, der eine weitere
Lücke in der hiesigen Editionslage zu Mario Bava schließt und
sich ohne weiteres an die bisherigen, qualitativ ähnlich überzeugenden
Veröffentlichungen aus dessen Filmografie einzureihen vermag. Um Nachschlag
wird natürlich händeringend gebeten! |
Technische Details:
Bildformat: 1,66:1
Sprachen: Deutsch, Englisch (Mono 2.0)
Untertitel: -
Regionalcode: 2
Zusatzmaterial:
Trailer, Fotogalerien
(Thomas Groh) |