Versuch, eine Kritik zu 19 zu schreiben, ohne "Dead Man" zu
erwähnen
Ausgewaschene Farben, ein grobkörniges Bild, Details und Konturen,
die sich in der glatten Textur der überbelichteten Fläche verlieren.
Schon allein mit diesen Stilmitteln weist uns der Film darauf hin, dass er
keine Geschichte aus dem Alltag erzählt, dass seine Bilderwelten keinen
Anspruch erheben, Realität wiederzugeben oder deren Reglements zu beachten.
Gesellschaftliche Realität schon gar nicht, denn diese findet in
19 nur am Rande statt: ein paar übereifrige Angestellte einer
Tankstelle etwa, oder ein plaudernder Polizist während einer
Verkehrskontrolle, hier und da dann wieder andere Gestalten am Wegesrand
der ziellos durchs Japan der Jetzt-Zeit Reisenden. Und dennnoch: auch in
der Ausblendung gesellschaftlicher Umstände und Konventioen erfahren
wir so einiges darüber, wie in diesem Leben leben so ist.
Einiges wurde geschrieben, viel wurde gerätselt, warum der Film
denn nun 19 hieße und nicht etwa anders. Die Geschichte basiere lose
auf einer wahren Begebenheit und der im echten Leben aus heiterem Himmel
von einigen Jugendlichen im Auto Entführte und nach einigen Tagen wortlos
Freigelassene, ein Bekannter des Regisseurs Kazushi Watanabe, könnte
19 Jahre alt gewesen sein, vielleicht ist aber auch der Entführte im
Film 19 oder sogar seine Entführer, drei rätselhafte Twenty-somethings,
mal verschweigen, mal lakonisch philosophierend. Vielleicht wollte Watanabe
- selbst gerade mal Mitte 20 - auch nur jenes Lebensgefühl, 19 Jahre
alt zu sein, mit seinen dreckig-schönen Bildern illustrieren. Jene Zeit
also, jener Scheidepunkt zwischen jugendlichem Übermut und dem sich
bald im Leben zurechtfinden müssen. Feuilletons und Kinogänger
bei der teutonischsten aller Tugenden: Sinn suchen, koste es was es wolle.
Dabei verfehlt solch brechstangenbewehrte Sinnsucherei gänzlich die
Intentionen dieses wunderbar offenen, unbekümmerten Films, der doch
gerade die Leere des Seins, die Sinnlosigkeit des Sinnsuchens, die Melancholie
einer durchaus optimistischen Lakonie als sein eigentliches Thema
präsentiert.
Die Lösung ist, wie so oft, eine einfache: in 19 Bildern, oder
auch: Kapiteln, erzählt dieser Film seine Geschichte. 18 mal wird der
Lauf der Erzählung abrupt durch eine schwarze Leinwand, eine stumme
Tonspur unterbrochen, um eine Sekunde später an einem anderen Ort, zu
einer anderen Zeit - wer weiß schon, wie viel erzählte Zeit dieser
Film für sich in Anspruch nimmt, es ist auch gar nicht weiter wichtig
- fortzufahren. Auch hier also die Geste, eine leere, reduzierte, ohne
nähere Referenz,, die sich allein aus ihrem Dasein und nicht aus einem
"dahinter" speist - "just be" würde Calvin Klein sagen und 19
nimmt das beim Wort.
Der Scheitelpunkt, das 10. Bild, zeigt dann die 4 Protagonisten -
der Entführte scheint nun mehr ein Mitreisender denn ein Opfer eines
Verbrechens - in einem Ramschladen, auf der Tonspur allein von Musik unterlegt,
mit doppelter Geschwindigkeit abgespielt, umherspringen, um sie herum dutzende
Ikonen der Pop- und Jugendkultur. Sie spielen damit, machen Faxen, finden
sich zurecht in einem Universum zwischen "Krieg der Sterne", bunter Coca
Cola Reklame, Popmusik und Zeichentrickfiguren. Und dann verlassen sie wissend
in die Kamera lachend diesen bunten Laden, treten hinaus ins Freie, in der
Ästhetik des Filmes heißt das: in eine diffuse, überbelichtete,
nicht deutbare Welt, ein Nirvana aus grellem Licht und Konturlosigkeit. Raus
ins reine Sein, der Letzte macht die Tür zu.
Der Kritiker ist begeistert und liebt diesen Film schon jetzt
abgöttisch.
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