Die Informationen zu Sylvia Changs Wettbewerbsbeitrag "20:30:40",
liebe Leser, sind, anders als die zu den bisherigen Filmen, leider ohne
Gewähr. Was daran liegt, dass der Film nach einem Drittel schon zu Ende
war, um danach noch weiterzugehen. Was danach kam, war aber zuvor geschehen
und der Film knäulte sich am vorletzten Tag des Wettbewerbs zum großen
Durcheinander im Kritikerhirn. Der Grund dafür, falls das jetzt so
verwirrend klingt, wie es war, ist einfach der, dass in der Kopie, die der
Presse vorgeführt wurde, aus Versehen der letzte Akt an den ersten
gestückelt worden war und folglich der Abspann lief, ohne dass man das
Drama schon durchlitten hatte. Ein Viertel, schätzungsweise, der Kritiker
verließen den Saal, nach fünfzig Minuten, ohne wiederzukehren:
Bin sehr gespannt, was die schreiben.
Peinliche Sache das, für das Festival, aber kann ja mal passieren.
Würde man sagen, wenn das Organisationschaos dieses Jahr nicht Methode
gehabt hätte. Für gewöhnlich war es zum Beispiel schon eine
Tortur der brutaleren Art, überhaupt ins zu kleine Cinemaxx 7 zu gelangen,
in dem die Nachmittagsvorführungen des Wettbewerbs für die Presse
stattfanden. Ein Drängen und Drücken, Schieben und Schubsen jedes
Mal, das einen spanischen Kollegen zu heftigem Fluchen über deutsche
Organisationskunst ("cretinos, cretinos") und zu Ausführungen über
zwei Weltkriege veranlasste, bei denen ich lieber nicht spanisch verstanden
hätte. Die andere Pressekampfzone war, wie in den Jahren zuvor, der
Schreibraum, auf den naturgemäß die ausländischen Korrespondenten
in besonderer Weise angewiesen sind. Der war dieses Jahr umgezogen, vom Keller
des Berlinale-Palasts ins Hyatt-Hotel, aber man hatte ihn - unergründlich
sind die Wege des Herrn - verkleinert statt vergrößert, also waren
die Schlangen eben noch länger, die Wartezeiten noch unerträglicher.
Zum Trost flog dann gelegentlich die Sicherung raus und es erhob sich ein
babylonisches Wehklagen vor schwarzen Bildschirmen über auf immer
dahingegangene Texte. Wenigstens bewahrten die Aufsichtspersonen stets die
Contenance.
Zurück aber zum Film und leider ist - wenn auch ohne Gewähr
- zu sagen, dass die vor der Zeit von dannen gezogenen Kollegen nichts
Weltbewegendes verpasst haben. Einen Film nur, der die Schicksale dreier
Frauen in Taipeh ineinander webt oder eher: nebeneinander her erzählt,
das einer Zwanzigjährigen aus Malaysia, die gerne eine Karriere als
Sängerin machen möchte, das einer Dreißigjährigen, die
auf der Suche nach dem richtigen Mann ist und einer Vierzigjährigen,
die gerade von ihrem Mann verlassen wurde. Das schwankt zwischen Komödie
und Drama, ohne sich je zum Melodrama aufschwingen zu wollen, und es ist
die Sorte Frauenfilm, die sich in auf Dauer doch enervierender Weise auf
Männer konzentriert: denen nicht zu trauen ist, die leider eine andere
lieben, die aus diesem oder jenem Grund nicht die richtigen sind, die die
Frau umwerben, in die frau sich gerade verliebt hat.
Nichts davon wäre nicht schon dagewesen. Die Scherze kennt man,
die Probleme sind alltäglich und noch in ihrer Alltäglichkeit nicht
genau oder in verblüffender Weise beobachtet. Ob die Spannungsbögen
in den einzelnen, einander immer wieder unterbrechenden Episoden tragen oder
nicht, ob die Verknüpfungen elegant sind, das lässt sich angesichts
des Vorführdurcheinanders leider wirklich nicht mehr sagen: Versuchen
Sie mal, sich "Memento" in der richtigen Reihenfolge zu denken und zu
überlegen, wie stringent der Film dann wäre. Eben. Eines übrigens
steht nach "20:30:40" fest: Die Filme, in denen Klaviere durch die Luft schweben,
wie in Chantal Akermans "Demain, on demenage" und hier, oder in denen Klaviere
unter Mühen nach oben getragen werden, wie in Ken Loachs - wie ich finde
- allzu bravem "Ae Fond Kiss", taugen alle nicht viel. Wieder was gelernt.
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