Kritik von Ekkehard
Knörer
Die Geschichte zweier Menschen, die miteinander schlafen wollen, aber
es kommt so manches dazwischen. Ein Krieg, Morde, Wind, Wetter, das Böse,
Natalie Portman und der Zauberer von Oz. Ok, gelogen, der nicht, aber so
ein wenig Oz-Struktur lässt die Geschichte sich nicht nehmen, die Geschichte
der Rückkehr des erst braven, dann desertierenden Soldaten Inman. Zuhause
harrt das Weib des Beischlafs, der da kommen wird wie das Amen in der Kirche.
Sie ist die Tochter eines Priesters, den Donald Sutherland gibt, der auf
seine alten Tage sich noch einen Südstaatenakzent hat antrainieren lassen.
Dann stirbt er im Regen (das Wetter). Immer geht es hin und her, Krieg,
Ausharren, Odysseus, Penelope, Fährnisse. Es sterben ein Hahn, ein Bulle,
ein Schaf und eine ganze Menge Menschen, aber das alles eigentlich immer
im Off (Krieg). Gleichfalls stirbt ein dicker Mann namens Pangle (schuld
diesmal das Böse: ein Blonder und ein Bärtiger). Und überhaupt
ist im Off ganz viel los, man sieht (vor dem geistigen Auge) die Make-Up-Artisten
um Nicole Kidman scharwenzeln, Jude Laws Bart ein bisschen fester kleben
und die Sprengmeister schwitzen Blut und Wasser. Kaum zu glauben aber wahr
die Performance von Renée Zellweger, die man beim Casting hätte
hochkant rauswerfen müssen. Sie bringt Nicole Kidman bei, was Arbeit
heißt. Die lernt das, klar. Und Renée ist die Bodenständigkeit
selbst, trägt ein Kleid, auf dem steht: Herz aus Gold und führt
sonst Bauerntheater auf. Stars, wohin man blickt, wo einer stirbt, wächst
einer nach. Der Sex findet statt, Nicole Kidmans Hintern ist zu sehen und
eine Ahnung ihrer Brüste. Jude Law spielt um seinen Oscar. Am Ende sind
wir in einem Nazi-Film, Blut, Boden, freie Natur, Nicole als propere Mama.
Der Hahn ist tot, der Hahn ist tot.
****
Kritik von Thomas Reuthebuch
"Cold Mountain" ist ein ausgesprochen cleveres Stück Mainstream-Kino,
und das ist mindestens zur Hälfte als Kompliment gemeint. Dabei geht
der Film, inszeniert und gescriptet von Anthony Minghella, in der ersten
halben Stunde ein beträchtliches Risiko ein. In der Exposition der
Geschichte, die zwei Liebende inmitten der Wirren des amerikanischen
Sezessionskrieges zeigt, gibt Minghella zunächst scheinbar alle
Trümpfe aus der Hand, läßt die Erzählung zwischen den
Zeitebenen hin und herschweben. Während wir bereits in der eindrucksvoll
inszenierten und vor allem photografierten Eingangssequenz mit den blutigen
Realitäten des Bürgerkriegs vertraut gemacht werden, führt
uns Minghella immer wieder an die zaghafte Annäherung zwischen Ada (Nicole
Kidman) und Inman (Jude Law) zurück. Schnell macht sich Langeweile breit.
Zu klischeebeladen sind die Bilder, zu vorhersehbar die Dialoge, zu
überdeutlich die ungelenken Drehbucheinfälle, die die beiden Zeitebenen
miteinander verbinden. Das verleiht dem Film eine eigentümliche
Leblosigkeit, gegen die Nicole Kidman mit aller Macht anspielt. In dieser
ersten halben Stunde entwickelt der Film jedoch eine surreale Qualität,
die ihn, möchte man eine solche Unterteilung vornehmen, durch den gesamten
zweiten Akt tragen wird. Mitunter wirkt es, als bewege sich Ada in einem
Stilleben. Das Spannendste an "Cold Mountain" ist dann auch die Konsequenz,
mit der Minghella diesen Inszenierungsstil gute zwei Stunden lang
durchhält. Die Personen, auf die die beiden Protagonisten im Lauf der
Geschichte treffen, sind als mythologische Figuren angelegt, entwickeln kaum
ein Eigenleben, dienen lediglich als Reflexionsfläche. Wenn die Handlung
ins Stocken zu geraten droht, kann man ganz beruhigt sein. Immer taucht im
nächsten, im richtigen Moment die Lösung, der Ausweg auf. Irgendwann
spielen die Dialoge keine Rolle mehr, werden sie Geräuschkulisse und
findet der Film eine Einheit, die einen Moment lang auf Großes hoffen
läßt. Am Ende wird dann leider doch nur exekutiert
(dramaturgisch betrachtet), wird der Wiedervereinigung ein finaler Showdown
verpaßt, mit allem Drum und Dran. "Cold Mountain" ist sicherlich kein
schlechter Film, vielleicht sogar Minghellas bester bislang. Für den
großen Wurf jedoch hat es nicht gereicht.
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