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Ende August, Anfang
September
F 1998
Regie: Olivier Assayas
Mit Mathieu Amalric, Virginie Ledoyen, Francois Cluzet, Jeanne Balibar
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Ende August, Anfang September ist ein
Film um die plötzliche Präsenz des Todes in einer Gruppe von Leuten,
die eben noch jung waren. Einer von ihnen, gerade 40 geworden, halbwegs
erfolgreicher Schriftsteller, wird krank, stirbt dann. Für keinen seiner
Freunde und Bekannten ist das ein einschneidendes Ereignis, auch der Film
macht es nicht dazu. Eher ist es so, dass alle von Anfang an so handeln,
als könne es sie treffen. Ehe man sich's versehen hat, ist die Jugend
vorüber, man hat sich halbwegs etabliert, wurstelt eigentlich aber weiter
wie zuvor und nichts geht mehr voran.
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Die Perspektive des Films ist
männlich. Gabriel, der es sich in seiner Ruhelosigkeit halbwegs eingerichtet
hat, Adrien, sein Freund, als Schriftsteller etabliert, aber nicht mehr
aufregend, stehen im Fokus der Geschichte. Die Frauen, deren Porträts
der Film auch zeichnet, zirkulieren darum herum. Das Dilemma, in dem sich
alle befinden, besteht darin, dass sie unglücklich sind, wenig
glücklich wenigstens, und doch nicht die Kraft haben, noch einmal neu
anzufangen. Gabriel steht zwischen den Frauen, seinem Ehrgeiz, der Notwendigkeit,
Geld zu verdienen und doch ein paar Prinzipen treu zu bleiben und wendet
sich mal hier, mal dort hin. Jenny hängt nach wie vor an ihm, will ihn
zurück und weiß zugleich, dass es unmöglich ist. Sie ist
zu lebendig, um zynisch zu werden und doch zu resigniert, um etwas neues
zu probieren. Anna wird von Gabriel nicht für voll genommen, ist Objekt
mehr von Lust als Liebe und sucht selbst Erfüllung in einem sexuellen
Verhältnis mit einem anderen Mann, ohne sie zu finden. Am Ende, immerhin,
scheint der Film eine Perspektive für die beiden zu bieten. Am
ausgeglichensten ist noch die Familie von Gabriels Bruder mit ihrem Haus
auf dem Land, aber sie scheinen so etabliert wie langweilig und zunehmend
ignorant. Und da ist noch Adrien, der in seiner Krankheit zu sich selbst
zu finden scheint. Aber dann stirbt er ja.
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Assayas entwirft sein Generationenporträt in einem
Stil, der zwischen den Polen von Sautets kunsthandwerklicher Figurenmalerei
und Carax' Halbstarkentum liegt. Die Geduld und Kommentarlosigkeit, ja die
Beiläufigkeit seiner Erzählung von Liebe und Tod sind in einem
strengen Sinne melancholisch. Episode auf Episode wird ins Schwarze abgeblendet,
die erzählerische wie schnittechnische Ellipse haben Methode. In diesem
Ausschneiden liegt eine schleichende Beunruhigung: was passiert sein wird,
ahnt man und erfährt es Stück für Stück, in einer
Nachträglichkeit, die immer bestätigt, nie überrascht. Die
Handkamera, das grobkörnige Filmmaterial tragen zu dieser Unruhe bei.
Der Effekt, den die Bilder machen, ist in erster Linie der einer dem
Erzählten adäquaten Rauheit, des Verzichts auf Beschönigung
der menschlichen Beziehungen. Man kommt den Figuren nahe, ohne dass einem
wirklich warm wird. Ende August, Anfang September, der Sommer ist fast vorbei
und das erste Frösteln, das der Beginn des Herbstes bringt, ist diesem
Film in die Glieder gekrochen.
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Aus einem Interview mit Olivier Assayas
Frage - Adrien sagt am Beginn des Films, sein
Problem sei nicht die Zeit, sondern das Geld. Alle anderen Figuren haben
dasselbe Problem: Arbeit, einen Platz zum Geldverdienen zu
finden.
O.A. - Ich könnte mir nicht vorstellen, diese Geschichte
zu erzählen, ohne materiellen Fragen ein besonderes Gewicht zu geben.
Denn so geht es nun mal im Leben. Auch wenn man sich um solche Probleme wenig
kümmert, sie existieren und es kommt der Punkt, an dem man eine Lösung
finden muss. Für manche ist diese Lösung nicht
schwierig, für andere sehr hart, sehr schmerzlich. (...) Ich
hatte Lust, das Geld genauso als soziale wie private Perspektive zu benutzen,
aber das eine ist ohne das andere ohnehin nicht zu beschreiben. Für
uns alle stellt sich irgendwann die Frage, wie man ein Gleichgewicht herstellen
kann, zwischen materiellen Gesichtspunkten und den Gefühlen, den
Träumen.(...)
Frage - Von entscheidender
Bedeutung für Adrien ist in dem Film die Frage nach der Zeit. Auch diese
Erfahrung teilen die anderen Protagonisten mit ihm: die der vergangenen Zeit,
der verlorenen Zeit...
O.A. - Genau, das, wovon der Film letztlich erzählt,
das ist die Bedeutung der Zeit, das Nutzen der Zeit, das Bewusstsein für
Zeit. Die Personen verändern sich und reifen, sie kommen an ihre Ziel
nur durch dieses Bewusstsein für die Zeit. Und das steht im umgekehrten
Verhältnis zur Bedeutung, die die materiellen Dinge für sie haben.
Gabriel kommt voran, als er versteht, dass es für ihn darauf ankommt,
die Zeit für Dinge zu nutzen, die ihm wichtig sind und dass die Hauptsache
nicht in einem festen Job besteht, auch wenn der ihm womöglich ein
bequemeres Leben bietet. Das Wichtigste ist niemals, und da ist der Film
ganz eindeutig, Macht zu besitzen: diejenigen, die mit der Macht zu tun haben,
stecken, das zeigt der Film, in Sackgassen und dienen letzten Endes als Aufpasser
für die etablierten Zustände, die jeden im Zustand der
Mittelmäßigkeit festhalten wollen.
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