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KRITIK
15 Minutes verfolgt über lange Zeit zwei parallele
Erzählstränge, deren einer die amerikanische Gesellschaft in Form
ihrer Helden zeigt, deren anderer ihr das karikaturistisch verzerrte Spiegelbild
in Gestalt zweier osteuropäischer Krimineller vorhält. Bild wie
Spiegelbild verkünden dasselbe. Die Botschaft ist so platt wie in ihren
Im- und Explikationen reaktionär, die Verdopplung ist redundant, die
Inszenierung spekulativ, der Film als ganzer widerwärtig.
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Mit der digitalen Videokamera als Aufzeichnungsmedium hat das Kino
zu einer neuen Ästhetik gefunden, die im dänischen Dogma idealtypisches
Programm geworden ist. Nicht als Gebot, sondern als Angebot zur Beschreibung
der dem Medium inhärenten Potentiale ist das von Interesse, die Ausfaltung
in den ersten Dogma-Filmen beeindruckt und belegt, wieviel Wahrheit, wieviel
genaue Analyse der Rhetorik der digitalen Videokamera in den Dogmen steckt.
Die Ästhetik ist nun auch in Hollywood angekommen, der großartige
Eklektizist Steven Soderbergh hat sie verstanden und in
Traffic klug und geschickt
eingesetzt. Das Zeitalter der Epigonen, die nichts verstanden haben, ist,
schneller als man fürchten durfte, mit 15 Minutes
angebrochen.
Es beginnt damit, dass die Videokamera diegetisch eingeführt
und damit entschärft wird. Schlimmer noch: sie wird denunziert als ein
Medium, das den Irren der Welt zu 15 Minuten blutigen Ruhms verhilft, als
Zuliefer-Medium für das nach Reality gierende Fernsehen. Gezahlt wird,
so die These des Films, nur noch in einer Währung: dem Sensationswert
des Bildmaterials. Gesendet wird alles. Der durch und durch korrupte
Nachrichten-Star macht sich selbst allerdings die Finger nicht schmutzig.
Die eigentliche Gefahr, so die (natürlich schon immer handelsübliche)
Ideologie, kommt von außen. An den beiden Schurken wird allerdings
eine Umkonnotierung des Feindbildes Osteuropäer deutlich: die Bedrohung
des medialen Kapitalismus besteht nicht mehr in der kommunistischen Gegenvision,
sondern im Übereifer der Nachahmungstäter, die den Kapitalismus
nur zu gut verstanden haben, und zugleich als die Tiere, die sie sind, über
alle Stränge der halbwegs funktionierenden Mäßigungsmechanismen
schlagen. Im blutigen (Miss)Verständnis käme dann aber auch die
Traumfabrik zu sich selbst: Der Möchtegern- Regisseur outet sich gleich
zu Beginn als Bewunderer des Frank-Capra-Films "It's a wonderful life" (eine
der vielen auf den zweiten Blick richtig dummen Pointen des Films), gibt
sich später gar den Namen seines Vorbilds.
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15 Minutes ist in seiner Bodenlosigkeit am ehesten mit
Oliver Stones Natural Born Killers zu vergleichen, der Gewalt mit
Lust an der Gewalt zu kritisieren versuchte. John Herzfelds Film hält
es mit derselben Strategie: er weidet sich an der Bestialität und projiziert
alle Lust, die er zeigt und zugleich hervorruft, auf die das Fremde gewordene
Externalisierung der Amoral. Das so auf die andere Seite gebrachte Böse
wird, in verräterisch komplizenhafter Freude an seinem Wüten, in
aller Ausführlichkeit vorgeführt, damit sich die Moral, die man
für die zur eigenen erklärte Seite verbucht, alles erlauben darf.
Unter dem Deckmantel von Medienkritik treibt man es schlimmer als die
kritisierten Medien in ihren schlimmsten Momenten. Die reaktionäre
Verhöhnung des liberalen Rechtssystems erledigt sich im selben Aufwasch.
Und hinaus läuft es - natürlich - auf die Wonnen der Lynchjustiz,
die hier ein neckisches Feigenblatt trägt und in dieser durchsichtigen
Rechtfertigung den Faschisten im Bürger zur öffentlichen
Äußerung seines gesunden Empfindens kitzelt: als der Schurke am
Ende abgeknallt wird, hat das ganze Kino heftig applaudiert.
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