Nicht anders denn als segensreich ist das Wirken Amos Vogels zu
bezeichnen. In den Jahrzehnten nach dem Krieg hat er mit seinem Cinema 16
die Filmavantgarde nach New York gebracht. Geflohen vor den Nazis, als sie
1938 Wien besetzten, hatte Vogel den Glauben an den Zionismus als Lösung
rasch verloren, ließ sich in New York nieder und feierte den Film als
subversive Kunst (so auch der Titel seines berühmten, vor ein paar Jahren
in Deutschland in einer neuen Ausgabe erschienenen Buches). Seine Definition
ist dabei so minimal, dass sie theoretisch ganz unergiebig, praktisch aber
von ungeheurer Flexibilität ist: Subversiv ist das Unerwartete, das
nicht Vorhersagbare. Das können Stan Brakhages Experimente sein und
John Cassavetes Filme, Hitchcock und Ozu, alles, kurz gesagt, was die vertrauten
Reaktionsmuster auf Grund laufen lässt: Film also als Kunst.
Was den Film zur Kunst macht, liegt dabei im Auge des Betrachters
nur insofern, als der Gegenstand dieses Auge herausfordert zum Denken. So
ist es sehr konsequent, dass Vogel einen Nazi-Propagandafilm ebenso ins Programm
nehmen konnte wie Wissenschaftsfilme, die als Objekte ganz gewiss nicht Kunst
sind. Vogel entwickelt also - von einer ganz konventionell
gesellschaftskritisch-linken Position aus - einen Begriff von Kunst, der
ein nach-modernistischer ist im beinahe Warholschen Sinne. Was die Kunst
macht, ist die reflexive Verfremdung der Kunsterfahrung, die sie dem Zuschauer
abnötigt. Diese Erfahrung ist es, die Vogel programmierte, mit über
die Jahre hinweg ganz erstaunlichem Erfolg.
Der Dokumentarfilm ist als konventionelles Porträt Vogels angelegt,
lässt ihn erzählen, folgt ihm in die Säle des Cinema 16 und
in seine Wohnung, deren Arkanum ein Raum mit Hängeregistern ist, in
denen offenkundig Vogels ganzes Leben verzettelt und verzeichnet ist. Aus
dem Schrank mit den ältesten Akten zieht Amos Vogel ein "Buch", das
er 1937 geschrieben hat, die autobiografische Geschichte eines jungen Mannes:
abgetippt, zusammengebunden, Zeugnis eines längst vergangenen Lebens,
Autor: Amos Vogelbaum. Die schönste Einstellung des Films - und neben
gelegentlichen Fisimatenten die einzige mit einiger Ambition - ist die letzte:
eine Fahrt durch die Wohnung, in ein anderes Zimmer hinein, dessen Wände
mit Bildern und Fotografien gepflastert sind, auf eines zu, das Vogel zuvor
als Schlüsselbild für sein Leben bezeichnet hat: ein Gang, eine
Tür, eine Hand (fast an Hammershoi erinnernd). Rätselhaft,
wunderschön, herausfordernd.
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