Der heruntergekommene Schriftsteller mit
Dauer-Schreibblockade Bill (Jeremy Theobald), zugleich Erzähler des
Films im Kontext eines Polizeiverhörs, ist laut Selbstauskunft schon
eine ganze zeitlang allein und fing an sich einsam zu
fühlen. Langeweile und innere Leere prägen seinen Alltag.
Also heftet er sich im London der 90er an die Fersen ihm völlig unbekannter
Personen und verfolgt deren Lebenswege ein großstädtischer
(Sinn-)Looser auf der Suche danach, wie andere Sinn machen in
ihrem Leben. Anhand der beobachtbaren Äußerlichkeit der Anderen
sucht er auf seine eigene, ihm nicht zugängliche Innerlichkeit zu
schließen seine zentrale Frage: Woher kommt, wohin geht
er, dieser Mensch?.
Der Identitäts-Detektiv legt sich strikte Regeln für seine
Verfolgungsaktionen auf, wobei die oberste Direktive lautet: Folge keiner
Person zweimal. Sie resultiert aus der Einsicht, dass es Probleme geben muss,
wenn sich Bill für seine Beobachtungsobjekte als Subjekte interessiert
und in deren Leben involviert. Natürlich muss er diese Direktive der
Distanz brechen, und sich die entsprechenden Probleme einhandeln, denn die
Identität des Anderen ist nicht beobachtbar mittels einer
Verfolgungs-Aktion, sondern nur erfahrbar in der Inter-Aktion, dem unmittelbaren
Kontakt erst diese Erfahrung gibt Aufschluss auch über sich selbst.
Als Bill seine oberste Direktive bricht, lernt er sein Opfer
Cobb (Alex Haw) kennen, der offensichtlich die Obsession Bills zu teilen
scheint. Cobb bricht in Wohnungen ein und genießt dort eine voyeuristische
Freude an der Intimität der Anderen. Bill zieht von nun an mit ihm los
und durch die Wohnungen und Intimsphären anderer. Aber auch die gemeinsame
mikroskopische Beobachtung des Wohn- und Lebensraums der Anderen und das
Ausspionieren ihrer persönlichsten Winkel (Jeder hat ein
Kästchen), bringt ihn nicht weiter an sich selbst heran. Im Gegenteil,
er wird dabei seinem neuen Freund und Lehrer Cobb
zunehmend ähnlicher, indem er den entsprechenden Anzug und Haarschnitt
trägt.
Durch den dritten Einbruch mit Cobb gerät Bill in die Intimsphäre
einer attraktiven Blonden (The Blond, Lucy Russell), die einerseits
anonym und Projektionsfläche von Bill bleibt, und andererseits ein Stereotyp
der femme fatale des Film Noir. Bill bricht daraufhin seine Regeln erneut,
verfolgt die Blonde und sucht ihre Nähe. Sie lässt
sich auf eine Beziehung ein, was für Bill fatale Folgen hat. Denn es
stellt sich heraus, dass Cobb den Identitätsdetektiv im
Wissen der Blonden auf sie angesetzt hat und zu diesem Zweck
den Einbruch bei ihr, wie schon die beiden zuvor, inszeniert hat. Allerdings
geht es nicht, wie die Blonde meint, darum, Bill ein Verbrechen
anzuhängen, sondern ihn als den Schuldigen an einem Mord erscheinen
zu lassen und zwar an ihrem eigenen Mord, was Cobb letztlich auch gelingt.
Als Instrument finsterer Machenschaften verstrickt sich der im wahrsten Sinne
des Wortes selbst-lose Bill auf der Suche nach Identität und einer
Authentizität, in der er sich selbst erfahren kann, gerade durch diese
Aktivität tiefer in die Entfremdung, die das große Thema dieses
Films darstellt. Seine Isoliertheit und Entfremdung sind keine typischen
Probleme des postmodernen Kinos, und der Streifen gibt sich schon durch die
kühle (und dabei nicht coole) 16mm-Schwarz-Weiß-Ästhetik
als anachronistisch zu erkennen. Dennoch könnte der Film nicht etwa
aus den 40ern stammen und ist hinsichtlich der nicht-linearen Erzähltechnik
und Montagetechnik ein deutliches Kind dieser Zeit. Christopher Nolan (als
Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann) zeigt dadurch, dass Fragen, die kaum
mehr gestellt werden, deshalb nicht schon zu genüge beantwortet sein
müssen. Das viel gefeierte Regie-Genie (MEMENTO, INSOMNIA, BATMAN BEGINS)
inszeniert in Zeiten einer bunten Multioptionalität von Symbolwelten
und vervielfachter Identitätsangebote die ganz und gar un-hippe Sinn-Suche
eines neurotischen Einzelgängers als klassische Tragödie: Was von
dem Anti-Helden als Lösung des Problems seiner Einsamkeit ausgedacht
ist, seine identitäts-detektivische Aktivität, erweist sich als
letztendlich als das Problem multiplizierend. Einerseits schon weil die scheinbar
heilende Aktivität nur ein weiteres Symptom der Krankheit ist, die sie
zu bekämpfen sucht, andererseits, weil dieses Symptom der Entfremdung
noch intrigant von den Anderen (Bills Freund Cobb und zunächst
auch der blonden Femme Fatale) zur Erreichung ihrer Ziele instrumentalisiert
wird.
Mit der Problematisierung alter Fragen im Gewand des Film-Noir stellt Nolan
nicht nur äußerst kurzweilig den Mythos vom Ende der
Moderne und dem Tod des Subjekts infrage, sondern nebenbei
auch einen anderen viel bemühten: jenen, dass gute Filme mindestens
90 Minuten lang und vor allem teuer sein müssen. Zur Verwirklichung
der ca. 70minütigen No-Budget Produktion brauchte Nolan lediglich 6000
US-Dollar, Unterstützung aus seinem Umfeld und die Wochenenden von etwa
zwei Jahren.
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