Wir sind die Roboter
Ein Topos so alt wie die Science Fiction selbst - der von der belebten Maschine
- ist immer noch einer der produktivsten. Jede ästhetische Epoche entwirft
ihre denkenden und fühlenden "Maschinen" (vom Golem bis zu Data) und
stellt sie den Menschen mal zur Seite, mal gegenüber, um zu testen,
wie es um die Menschlichkeit bestellt ist. Roboter und Cyborgs, wie in "Blade
Runner" oder "Artificial Intelligence" fordern nicht nur das Mitgefühl
angesichts ihrer auswegslosen Lage als Maschinen-Menschen heraus, sie werfen
auch die Frage auf, ab wann der Apparat Rechte hat und ob das nun seine eigenen
Rechte (die seiner "Spezies") sind oder unsere.
Isaac Asimov hat in den frühen 1950er Jahren die Metaphysik des Roboters
(in den liebevollen alten Übersetzungen heißen sie bei ihm "Robots")
konkretisiert wie kaum ein Autor zuvor. An seinen Maschinenwesen hat er in
der Erzählungssammlung "I, Robot" nahezu jedes Sujet menschlicher Dramatik
erprobt. Mit Alex Proyas' neuem Film "I, Robot" ist ein Kondensat aus Asimovs
prosaischen Überlegungen entstanden, das den moralischen Konflikt inszeniert
und gleichzeitig ein Bild - unser Bild - auf die eigene moralische Verfasstheit,
gespiegelt im metallenen Gesicht des Roboters, entwirft.
Der Polizist Del Spooner (Will Smith) ist nach einer schicksalhaften Begegnung
mit einem Roboter nicht mehr derselbe. Er beäugt die Maschinen, die
nahezu in alle Lebensbereiche der Menschen Einzug gehalten haben, mit
äußerstem Misstrauen. Die allen Robotern fest imprägnierten
drei Direktiven, deren oberste ist, keinen Menschen zu schädigen, sind
für ihn kein Anlass zum Vertrauen. Sein Alltag ist bestimmt von
Verdächtigungen, Verfolgungsjagden und Festnahmen von Robotern, die
er wieder freilassen muss, weil sie "nach menschlichem Gesetz" unschuldig
sind - mit dem Ergebnis, dass Spooner zum Gespött seiner Kollegen wird.
Als ein neues Modell auf den Markt kommt, der NS-5, der mit der besonderen
Funktionen ausgestattet ist, kommt es zu einem Zwischenfall: Der Erfinder
der Roboter wird tot gefunden und die einzige "Person", die im Zeitpunkt
seines Todes anwesend war, ist ein Prototyp des NS-5. Dieser NS-5 erregt
Spooners gesamtes Misstrauen, zumal er in der Lage ist, zu "fühlen"
und nicht einfach bloß zu funktionieren. Auf der Jagd nach dem
flüchtigen Modell, das sich in der Menge äußerlich völlig
identischer Kollegen verbirgt, kommt Spooner der eigentlichen, noch viel
größeren Gefahr auf die Spur.
Das Bild der Zukunft, das Proyas in "I, Robot" zeichnet, steht auf den ersten
Blick im scharfen Kontrast zu seinen sehr düsteren Vorgängerfilmen
wie "The Crow" oder "Dark City". "I, Robot" ist hell, technophil, ja, auf
Grund der Präsenz von Will Smith, heiter - ähnlich dem direkten
Vorläufer "Garage Days". Doch trotz dieser "atmosphärischen Lichtung"
ist "I, Robot" seinen Vorgängerfilmen sehr ähnlich. Denn auch hier
ist die Grundstimmung beherrscht von Paranoia und Klaustrophobie und Gewalt.
Die Strukturen, die sich Spooner bei seinen Recherchen eröffnen, der
Einblick, den er in die Geschichte der Robotik (und den wir in die Biografie
Spooners - die auch irgendwie eine "Geschichte der Robotik" ist) bekommen,
holen einen zeitgenössischen Diskurs aus den tiefen der Erzählung
empor, der von der Angst des Menschen vor der Maschine spricht. Diese Angst
ist jedoch keineswegs mehr die vor dem gefühlskalten, seelenlosen
Spiegelbild, das die Menschheit bedroht, sondern im Gegenteil die von der
totalen Simulation des Menschen, welche sich in der Irrationalität seiner
Gefühlswelt ausdrückt.
Die Roboter in "I, Robot" haben nämlich nicht einfach einen
Gefühls-Chip implantiert bekommen und "fühlen algorithmisch auf
Kommando", sondern sie fühlen "wider besseren Wissens". Das macht sie
viel menschlicher als ihre menschlichen Antagonisten, deren Handeln
tatsächlich mehr logischen Erwägungen und Fragen von
"Wahrscheinlichkeit" ("Dass Roboter einen Menschen töten, lässt
sich mit 100prozentiger Sicherheit ausschließen!") erwachsen. Ihnen
gegenüber sind wir die Roboter - nicht zuletzt in unserem
gefühlskalten, schonungslosen Umgang mit ihnen. Ihre Bedrohung entsteht
daher einerseits aus unserer Unfähigkeit mit ihnen mitzufühlen
und andererseits aus der Konsequenz, aus der "Nachhaltigkeit" ihrer Emotionen,
die sie ohne wenn und aber zu Ende fühlen und daraus ihre Handlung ableiten.
Hinter den Direktiven, die die Menschen vor den Maschinen schützen sollen,
entbirgt sich durch diese Nachhaltigkeit ein Prozess, der tötet, weil
er dadurch umso besser beschützen kann. Die Ähnlichkeit dieser
Logik zu den Euphemismen "enduring freedom", Litotes "friendly fire" und
ähnlichen brutal-emotionalen Begriffsamalgamierungen ist frappierend.
Hier zeigt die Science Fiction abermals ihr allegorisches Potenzial, dass
aus der Logik der fernen Zukunft das Zerrbild der Gegenwart zurückspiegelt.
Dass dies Proyas so gut gelingt, liegt nicht zuletzt an der Leistung Will
Smiths. (Neben ihm tritt die bei Asimov dominierende Wissenschaftlerin Susan
Calvin vollständig in den Hintergrund.) In Smiths Brust schlagen zwei
Herzen: Die des Komikers und die des Helden. Dass beide zusammenpassen
können, hat er in "Men in Black" vorgeführt - jedoch längst
nicht so passend wie jetzt in "I, Robot", wo seine Komik erstmals nicht
nachträglich eingefügt wirkt, sondern vielmehr bestens dem verbitterten
Sarkasmus seiner Figur als jenem "Prophet, dem keiner glaubt" entspricht.
In der durchtechnisierten, den Werbeslogans der Roboter-Firmen unterworfenen,
nicht mehr selbstständig handelnden und denkenden Gesellschaft ist Spooner
jener Anachronismus, jener Warner aus vergangenen Tagen, der das Unheil
heraufziehen sieht. Jenes Unheil, das er nur deshalb zu bekämpfen imstande
ist, weil er (oder: es) ein Teil von ihm ist. Das ist die Tragikomik, die
in Heldengeschichten schon immer bestens funktioniert hat.
I, Robot
USA 2004
Regie: Alex Proyas
Buch: Jeff Vintar (nach Motiven von Isaac Asimov); Musik: Marco Beltrami;
Kamera: Simon Duggan; Schnitt: Schnitt
Jeffrey Ford u.a.
Darsteller: Will Smith, Bridget Moynahan, Alan Tudyk, James Cromwell, Bruce
Greenwood u.a.
Verleih: 20th Century Fox
Länge: 114 Minuten
zur Jump Cut Startseite
|