Es ist ein ewiges Siechtum, tief unten in den Schächten der Budapester
U-Bahn. Ein Tunneläußeres scheint es nicht zu geben, zumindest
hält's der Film uns vor, der Siff regiert, Schwarzfahrer tanzen den
runtergekommenen Kontrolleuren regelmäßig auf der Nase. Im Zentrum
des Geschehens steht eine Gruppe besonders degenerierter Kontrolleure, einer
nach dem anderen mit einer Macke grotesker als die seines Nächsten
ausgestattet. Choleriker, Schmeißfliegen, zynische alte Säcke.
Der Umgang untereinander ist lakonisch, zynisch, herb. Man hat gelernt, sich
mit dem Status Quo zu arrangieren. Der zumindest graduell Charismatischste
unter ihnen - und steckte er nicht in so einer speckigen Lederjacke, er
wäre wohl sogar recht gut aussehend - ist gar vollkommen obdach- und
wohl auch mittellos und verbringt auch seine Nächte im U-Bahn-System.
Der Berufsalltag ist dabei alles andere als trist: Zum einen ist da eine
schneidige Konkurrenztruppe an Kontrolleuren, die sich über die Outcasts,
mit denen man immerhin doch, wiewohl selbst unsympathisch bis aufs Blut,
bald sympathisiert, regelmäßig lustigmacht und sie provoziert,
ein cholerischer Vorgesetzter, an Vampire erinnernde Chefetagenbewohner,
die jeglichen Respekts gegenüber der Kontrollenautorität verlustig
gegangene Nahverkehrskundschaft, ein Skater, "Roadrunner" genannt, der, mit
Rasierschaum bewaffnet, Jagd auf Kontrolleure macht und, nicht zuletzt, ein
mysteriöser Killer, der das Unternehmen mit seinen willkürlichen
Schubsereien regelmäßig in die negative Schlagzeilen bringt.
Liest sich eigentlich wie ein Film von Josef Fares, dessen bodenlos
dämlicher Kops ihm in regelmäßigen Abständen kräftig
um die Ohren gehauen werden sollte, und hätte dieser die Hände
bei Kontroll im Spiel gehabt, es wäre wohl ein ähnlicher Schmarrn
dabei herausgekommen. Doch Kontroll schmiegt sich weniger an die Traditionen
der verquast albernen Arthouse-Klamotte europäischer Provenienz, sondern
eher an die des Mitternachtskinos und überzeugt letztendlich, neben
einer Vielzahl im besten Sinne skurriller und grotesker Ideen, die als
Lockerungsübungen im zentralen Geschehen angesehen werden können,
durch seine sorglos offene Erzählform, die den Film oft schon beinahe
durch sich selbst stolpern erscheinen lässt. Mal ist das beinharter
Sozialrealismus von beinahe dokumentarischem Charakter, dann wieder
Kaurismäki'sche Lakonie, bald rabenschwarze Komödie, um dann, wenn
der vermummte Killer in betont cooler Inszenierungsmanier auftritt, in ganz
und gar mystisch überhöhte Genregefilde umzubrechen. Annäherungen
an einzelne Fahrgäste durch besagte obdachlose Hauptfigur - vor allem
eine Beziehung zu einem stets als Hase verkleideten, jungen Mädchen
bahnt sich an -, erscheinen auf filmischer Ebene poetisch irreal und reiben
sich eigentlich schon an anderen Sequenzen, die zum Hyperbolischen und Grotesken
neigen. Komödie, Thriller, Krimi, Drama, Liebesfilm, derbe Groteske
mit reichlich Körperflüssigkeiteneinsatz, durchgeknallte
Genre-Phantasterei - das könnte denkbar beliebiges Aneinanderreihen
ergeben, Bruch an Bruch des Bruches willen, doch gelingt Kontroll ganz im
Gegenteil das gar nicht mal kleine Kunststück trotz allem ganz bei sich
und vor allem in Form zu bleiben. Seine verschiedenen Erzählstränge
werden mit Muße episodisch ausgewalzt, oft hat man andere darob schon
fast vergessen, doch das stört nicht, ganz im Gegenteil: Daraus bezieht
dieser zwar gewiss nicht immer sichere, aber in Wagemut und Ambition doch
hochbeachtenswerte, sympathische Film seine einnehmende Kraft, letzten Endes
dann, wenn alles sich zusammenfügt und sich ein bizarres Bild von der,
in der Tat, Unterwelt ergibt.
Die verschiedenen Erzählmodi halten das Geschehen frisch, den Zuschauer
bei Laune: In jeder Sekunde könnte das wieder vollkommen umkippen, alles
scheint zumindest denkbar, der weitere Verlauf kaum vorhersehbar. Trotz aller
Schwächen, die man dem Film sicher und ohne weiteres auch attestieren
kann: Schon alleine deshalb war's eine Lust, dem zuzuschauen.
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