Bisher hat Hans-Christian Schmid - der Regisseur von "Nach fünf
im Urwald", "23" und "Crazy" - vor allem Geschichten vom Erwachsenwerden
erzählt, und dabei, ganz nebenbei, ein Porträt der Bundesrepublik
in drei sehr unterschiedlichen, auch unterschiedlich heiteren Teilen entworfen.
Mit seinem jüngsten Werk, "Lichter", ist er nun selbst erwachsen geworden,
oder hat sich jedenfalls das Erwachsenwerden verordnet. Ein schwieriger Prozess,
davon kündet nun, leider, auch der Film. Vor drei Jahren zog Schmid,
der in Bayern aufgewachsen ist und lange Jahre in München lebte, nach
Berlin. An der deutsch-polnischen Grenze hat er den Schauplatz seines neuen
Films entdeckt. Eine Stunde, nicht mehr, liegt Polen von Berlin entfernt.
Angesiedelt ist Schmids Episoden-Drama in der geteilten Grenzstadt Frankfurt
(Oder)/Slubice, deren deutsche Seite dem internationalen Publikum bereits
aus Andreas Dresens letztjährigem Berlinale-Erfolg "Halbe Treppe" vertraut
ist.
Zwar hat Schmid auch in seinem neuen Film nicht auf jugendliche Darsteller
verzichtet. Und dass er so famos wie kaum ein anderer deutscher Regisseur
mit ihnen umgehen kann, zeigt sich erneut. Jedoch bleibt den jugendlichen
Zigarettenschmugglern, von denen er erzählt, einfach zu wenig Luft zum
Atmen, zu wenig Raum, in dem sie sich ohne Knebelung durch die Geschichte
entfalten könnten. Das wiederum liegt daran, dass ihnen nur eine von
fünf bis sechs Episoden gewidmet ist, die in "Lichter" lose miteinander
verknüpft werden, zeitlich auf zwei Tage und räumlich (beinahe)
auf Frankfurt (Oder), Slubice und Umgebung beschränkt. In weiteren Episoden
geht es unter anderem um einen Trupp ukrainischer Flüchtlinge, die nicht,
wie gehofft, in Berlin, sondern auf der polnischen Seite der Grenze aus dem
Wagen geworfen werden, außerdem um einen deutschen Matratzenhändler
im geschäftlichen Unglück und um einen jungen deutschen Architekten,
der entdeckt, dass seine polnische Ex-Freundin jetzt anschaffen geht.
Solche ineinander verschachtelten Episodenfilme sind immer eine
höchst heikle Angelegenheit, da sie ebenso nach Rhythmusgefühl
verlangen wie nach einem Gespür für den Zusammenhalt im Ton und
einem geschärften Sinn für Kontraste. An allem mangelt es Schmids
Film. Allzu hektisch schneidet er von einer Geschichte zur anderen. Die
ständig wackelnde Handkamera des polnischen Kameramanns bleibt zwar
nah an den Figuren, verhindert aber jeden Moment der Konzentration. Das
eigentliche Problem von "Lichter" liegt jedoch in den einzelnen Episoden
selbst. Es ist ihnen deutlich anzumerken, wie viel gefeilt und getüftelt
wurde - solange bis die bisher bei Schmid so wunderbare Beiläufigkeit
sich ins Illustrative gewendet hat. Zu viel Arbeit am Drehbuch ist hier der
Figuren Tod. Es hilft auch nichts, dass die Geschichten und die Charaktere
um die zwei Leitmotive "Geld" und "Grenze" gruppiert werden. Deutlich wird
dadurch nur, wie fest Schmid plötzlich an die Möglichkeit von
Wirklichkeitsbeschreibung in Form gerundeter Geschichten glaubt. Da war er
schon mal weiter.
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