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Wenn es je Sinn machte, von einer entfesselten Kamera zu sprechen,
und wenn diese Entfesselung im Film selbst je Sinn machte, dann im Kino Dario
Argentos. Die Kamera wird in Opera zum eigentlichen Subjekt des Films, aber
zum Subjekt eigener Art: sie wechselt im Raum spielerisch genauso wie bedrohlich
ihre Position, ist proteisch bis zur Desorientierung des Zuschauers innerhalb
der filmischen Bezugssysteme. Wessen Blick blicken wir mit der Kamera? Den
des Mörders, den des Opfers, den des Neutralen Niemand der
gewöhnlichen Kamera? Neben der Standpunkt-Verunsicherung ist auch das
Objekt de-zentriert. Die Kamera, als Rabe etwa, kreist und wird ihr Opfer
finden, das der Täter ist. Aber in diesen Momenten des Kreisens ist
sie ortlos und ziellos. Sie ermöglicht weder die Identifikation mit
dem Ich, an dessen Stelle sie sich befindet (der Rabe), noch einen Standpunkt
außerhalb des nie abschließbaren Raumes.
Die Kamera erzeugt die Struktur des Film: Die namenlose Bedrohung
aus dem Nichts. Jederzeit können die mordenden Hände mit Handschuhen
ins Bild ragen, latent sind sie stets vorhanden. Der Kino-Raum ist nicht
in den Blick zu bekommen; das wird zu einer im Hollywood-Kino nie gesehenen
Konsequenz getrieben (einzig Phillip Noyce weiß, wie man so etwas
macht).
Höhepunkt des Films ist die Szene in der Wohnung, die durch
große Brennweiten zum Labyrinth geworden ist. Die
Identifikationsübernahme erfolgt zu Beginn durch die subjektive Perspektive
der Linsentrübung; der Zuschauer wird für den Rest der Sequenz
mitgefangen. Ein Spiel um Nähe/Ferne/Berührung beginnt. Das Telefon,
das am Kabel gezogen wird. Der Schuss ins Auge als Verbindung von
Blendungs-Wiederholung (ungezählte Blendungsszenen im ganzen Film; die
thematische Korrespondenz zur unzuverlässig gewordenen Kamera) und dem
fern-wirkenden Kontrast zu den bisher verwendeten, an Kontakt gebundenen
Waffen: Messer, Handschuh/Hand, Seil. Es ist allerdings, als würde der
Täter sich mit der Fern-Waffe einem für ihn tödlichen Gesetz
der Korrespondenz aussetzen: wie abgefeuerte Kugeln treffen nun die Raben
(ihn blendend) ins Ziel.
So wunderbar Argento in bewegten Bildern denken kann, so desinteressiert
scheint er an Plot und Dialog. Spannung bezieht der Film aus dem geraden
Gegenteil von Suspense: der Zuschauer weiß gerade nie, was passieren
wird - oder besser: er weiß, dass das Schlimmste passieren wird, aber
nicht, weil er besser informiert ist als die Helden. Er wird im gleichen
Maße im Dunkeln, im Uneindeutigen der Kameraperspektive, gelassen.
Die Bedrohlichkeit, die aus dem im Unklaren-Gelassen-Werden entsteht, ist
nicht auf Plot-Konstruktion gestützt. Was an OPERA die Handlung vorantreiben
soll, macht eher den Eindruck ohne Engagement eingefügten
Füllmaterials. Die Dialogteile, auch die Figurenpsychologie (am
Lächerlichsten die Motivation des Mörders) sind Rezitationsstrecken,
die keine andere Funktion haben, als die grandios inszenierten Arien zu
ermöglichen. |
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