Paul Thomas Anderson: Punch-Drunk Love (USA 2002)

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USA 2002
 

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Paul Thomas Anderson: Punch-Drunk Love (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image] 

Ein Mann in einem blauen Anzug an einem Schreibtisch in einer riesigen Garage, aus deren Tor er tritt. Er geht ein paar Schritte, vor zur Straße, die menschenleer ist und still am frühen Morgen. Aus dem Nichts ein Auto, das mit einem heftigen Schlag auf ein anderes Auto auffährt, abhebt, außerhalb des Bildes krachend aufschlägt und nie wieder gesehen wird (nur Scherben uns Splitter liegen später herum: es ist, auch wenn man es kaum glauben will, wirklich geschehen). Aus demselben Nichts ein LKW, der mit quietschenden Reifen bremst, justament vor dem Mann im blauen Anzug anzält, herausgewuchtet wird ein Harmonium, der Wagen fährt davon, wird auch nie wieder gesehen, der Mann geht zurück in seine Garage, es begleitet ihn ein perkussives Grummeln, das ihn fortan immer dann umspielen wird, wenn er sich hier aufhält.

So wird Barry Egan eingeführt, der Held des Films, Verkäufer seltsam dekorierter Klopümpel. Dann lernen wir, eine nach der anderen, telefonisch zunächst, seine sieben Schwestern kennen, deren eine ihn mit einer Kollegin verkuppeln will. "Erinnerst du dich, wir haben dich immer Schwuli genannt - und dann hast du die Verandatür zertrümmert", fragen sie ihn beim Abendessen, die Kollegin ist nicht gekommen, er zertrümmert die Glasscheiben einer Zwischenwand. Barry hat einen großen Plan. Er kauft tausende Puddingbecher, weil den Marketingstrategen ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen ist: die Frequent-Flyer-Rabatte summieren sich schnell in schwindelerregende Höhen. Nicht dass Barry je zuvor geflogen wäre. Und Barry macht einen Fehler: er ruft, in allerdings keineswegs eindeutiger Absicht, bei einer Sex-Hotline an und verrät sämtliche seiner persönlichen Daten, mit problematischen Folgen.

Barry Egan ist eine bizarre Figur, aber damit ist wenig gesagt. Vor allem nichts darüber, auf welche Weise Paul Thomas Anderson ihn durch einen Parcours der Liebe und der Gewalt, der Verzweiflung und des Glücks schickt, der vor allem eines nicht ist: vorhersehbar. Es scheint vielmehr so, als würde von einem Moment auf den anderen der sonderbare Held neu erfunden. Die Kontinuität der Charakterentwicklung liegt gerade in der Reihe von Aussetzern, die sich dann auf denkbar ungelenke Weise zum Porträt als der Summe seiner grotesken Teile runden, nicht aber zum psychologischen Zusammenhang. Sprunghaft wird das auch erzählt, in Szenen, die sich selbst genügen wollen: bei Barrys kleinem Tanz im Supermarkt, in der Flugzeug-Gangway, die er, auf gleißendes Licht zu, in Zeitlupe hinunterschlendert, eine Umarmung später im Schattenriss auf Hawaii.

Der Auftakt - Unfall plus Harmonium - funktioniert somit gleich in doppelter Weise: als Setzung eines Anfangs, dessen Setzungscharakter jedoch ganz unverschämt mit ausgestellt wird. Das Harmonium, das im Verlauf des Films noch die eine oder andere, nie allerdings eine besonders sinnvolle Rolle spielen wird, kommt aus dem Nichts und Anderson hat die Chuzpe, keine Anstrengung zu unternehmen, etwa anderes zu behaupten. Und so ist die Logik seines Erzählens hier überhaupt. Er spannt nicht - wie etwa im überkonstruierten Magnolia - kunstvoll Bögen aus ineinander passenden, dafür aber mühsam zurechtgehauenen Steinen; im Gegenteil scheint er die in sich mit viel Sorgfalt behauenen Einzelteile aufeinander zu türmen, wie sie gerade kommen. Gearbeitet wird am Detail, nicht am Zusammenhalt der Stücke. Am wundervollsten dabei das Mit- oder eher Gegeneinander von Bild und Musik, insbesondere in den vom Eigenleben der Perkussion schroff kommentierten Garagenszenen, die die Schizophrenie (oder wenigstens: die Unordnung im Geistes- wie Seelenhaushalt) der Figur nicht aufs Wort, nicht auf den Begriff bringen, sondern unterschwellig sinnfällig machen.

Andersons großes Projekt in allen seinen Filmen war es, auch und gerade jene Figuren zu lieben, bei denen das schwer fällt. Auch in Punch-Drunk Love fehlt es nicht an dieser gelegentlich merkwürdig berührenden Erlösungswut - hier aber hat sie, so paradox das klingt, ausgerechnet ihrer narrativen und auf alle schlüssige Psychologie und Entwicklung pfeifenden Gewaltsamkeit wegen nichts Gewaltsames. In der Welt des Films, die mit der uns vertrauten durch reichlich krumme Röhren kommuniziert, passt eines zum anderen wie des sanften, zu Weinkrämpfen neigenden Barry Faust aufs Auge der Ganoven. Mit anderen Worten: Diesen Film muss man gesehen haben, um zu begreifen, warum man ihm glaubt, was man sieht. In keiner anderen Form als genau der, die er hat, wären seine Figuren oder seine Geschichte als überzeugende denkbar.

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