Der einzige große Fehler, den Rollerball hat, ist
der mitunter mangelnder Konsequenz. Das beginnt mit dem Vorspiel auf den
Straßen von San Francisco, einer wilden Jagd auf Rollerskates die
Straßen hinunter, unter Einsatz von Kopf und Kragen, mit dem einen
Ziel nur: Adrenalinproduktion. Dann aber muss die Schussfahrt doch noch
funktionalisiert werden, als Motiv für den Helden Jonathan, der die
Heimat fliehen, sein Heil im fernen Zentralasien suchen muss, wo ein wilder
Sport die Massen im Stadion ebenso in Entzückung versetzt wie die Zuschauer
zuhause: Rollerball.
Der Rest des Films dann ist, bar fast jeder Dramaturgie - also auch:
herkömmlicher Spannung -, bar fast aller Psychologie - also auch:
herkömmlicher Identifikation mit den Figuren -, eine wilde Jagd unter
Gitarrengedröhn, das unter der Flagge plakativster Medienkritik segelnde
Gegenstück zu Sogo Ishiis
"Electric Dragon
80.000V". Die amerikanische Kritik hat den Film zerfetzt wie kaum
einen anderen der letzten Zeit (aktueller Spielstand bei Rotten Tomatoes:
70:2), es fehlt ihm auch alles, was Hollywood ausmacht. Und was er hat, kann
man, ohne dass es - aus der Perspektive des Gekonnten, des Regelgerechten
- falsch wäre, benennen als: Durcheinander, Chaos, Lärm, flache
Charaktere, nicht vorhandene Handlung, Dilettantismus.
Alles richtig - und das ist das Gute. Rollerball geht mit
schöner Regelmäßigkeit (und mit den erwähnten unerfreulichen
Schlenkern in Richtung Motivierung) immer den direktesten Weg zum Ziel. Das
Drumrum der Regeln ist geschenkt, so auch beim titelgebenden Rollerball-Spiel,
das nichts ist als ein wüstes Ineinander von Motorenlärm, fliegenden
Maschinen, Menschen, Blut, Kampf und Gebrüll. Kein Rhythmus, nirgends,
Eleganz ist das letzte, was man diesen Bildern, diesen Sequenzen, ja:
überhaupt irgendwas an diesem Film nachsagen kann. Die Medienkritik
- der Zuschauer lechzt nach Blut, die Bösen sind die, die es ihm reichlich
servieren - ist ein zur Farce getriebener Überhang an Sinn, den die
Lust des Films an der Brutalität zugleich unterspült.
Der gelentlichen Einblendung von Landkarten Zentralasiens zum Trotz
weiß man nie, wo man sich gerade befindet. Eins ist klar: außerhalb
des Stadions ist es finster, der Asiate an sich will dem Helden an den Kragen,
die Paranoia, die als diffuser Eindruck hinter den diffusen Bewegungen der
Beteiligten steht, ist mehr als gerechtfertigt. Dazwischen immer diese
Meisterstücke der anti-psychologischen, anti-dramaturgischen
Abkürzung. Der Mann, die Frau, Schnitt: Sex. (Bei Verhoeven wäre
das ähnlich, nur blutiger, heftiger.) Höhepunkt ist eine
Verfolgungsjagd, die im Dunkeln stattfindet, so dass man buchstäblich
durchs Grün der Nacht rast, den erst im Van, dann auf Motorrad
flüchtenden Helden orientierungslos hinterher. Es bleiben einem da nur
zwei Möglichkeiten: sich ohne weitere Überlegung in die erzeugte
Bewegung, den Lärm, den Adrenalinausstoß einstöpseln oder
kopfschüttelnd von dannen ziehen. Rollerball ist kein Meisterwerk,
denn das Einstöpseln funktioniert nur in Abständen: nah dran am
grandiosen Gegenentwurf zur üblichen Actionware ist der Film aber doch,
von Zeit zu Zeit.
zur Jump Cut Startseite
|