"Sie haben Knut" könnte ein französischer Film sein.
Es geht um Sex, Liebe, Politik, inkompatible Weltanschauungen.Wäre "Sie
haben Knut" allerdings ein französischer Film: er wäre ganz anders
als so, wie er ist. Also ist er, womöglich, eminent deutsch. Der Ort,
an dem er spielt, ist nicht Paris und der Kontrast nicht die französische
Provinz; wir sind im Schnee, in Österreich, Wildschönau, Skiurlaub.
Der Schauplatz ist nicht die Wirklichkeit, sondern die zugerieselte Allegorie,
ein Biotop in den Bergen. "Sie haben Knut" ist ein Historienfilm, und wenn
ihm eine Wut in den Knochen stecken sollte auf das, was er zeigt, dann ist
es eine sanfte Wut, eine zugeschneite Wut, eine melancholische Wut. Denn
Nick Drake macht die Musik dazu. Wobei der Film Nick Drake auf verdächtige
Weise in die Nähe von Cat Stevens zu rücken scheint. Und vielleicht
bringt ihn das auf den Punkt und auch das Unbehagen, das er mir bereitet
hat.
Er erzählt Ingos Geschichte. Jedenfalls ist Ingos Stimme die,
die man zuerst hört. Jedenfalls ist Ingo der, den man zuletzt sieht.
Er fährt davon, er hat genug, seine Liebe ist kaputt. Nicht dass sie
es nicht am Anfang schon gewesen wäre, denn es ist ja klar, dass sie
nicht zusammenpassen, Nadja und er, auch wenn sie es acht Jahre miteinander
ausgehalten haben. Einander verkennend, das zeigt sich im Laufe des Films.
Also die Geschichte eines Klärungsprozesses, zwischen Skiabhang,
Norwegerpullover, Musikgeklampfe und dem, was mal politisches Bewusstsein
hieß. Die zentrale Figur hier (abgesehen von Knut): Wolfgang. Er ist
am schärfsten umrissen und am wenigsten von allen mehr als bloße
Karikatur. Und genau daran stellt sich die entscheidende Frage des Films:
Wieviel Lust hat er, mehr zu zeigen als Karikaturen, als ins Detail korrekt
ausgestattete Reproduktion einer vergangenen Zeit als Farce?
Der Film hasst seine Figuren nicht, aber noch weniger liebt er sie.
Die Haltung liegt in der Zuspitzung zur Karikatur, oder mindestens: zur
überdeutlichen Typen-Erkennbarkeit, der zuletzt doch kein einziger entkommt,
auch Ingo nicht. Also Denunziation? Aber dazu ist "Sie haben Knut" zu schluffig.
Also authentische Wiedergabe von Schluffigkeit? Dazu scheint doch zu viel
Widerwille gegen das Milieu drinzustecken. Also einfach Abbildung als Abrechnung?
Aber dann müsste die Darstellung präziser sein, mehr Widerhaken
haben, es bräuchte kleine Wirbel aus Komplexität oder jedenfalls
Unerklärbarkeit. (Ich denke an Ulrich Köhlers Film
"Bungalow".) Hier dagegen geht alles
auf. Eine sanfte Tragikomödie. Am überzeugendsten nicht die Darstellung
und nicht das Dargestellte, sondern der Ton, der sich als Halbdistanz da
einschleicht. Klänge Nick Drake nur nicht so sehr nach Cat
Stevens.
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