Die süße 18-jährige Angela liebt Manga-Comics
und sie verliert sich gerne beim Zeichnen in ihre Phantasien. Die stilistischen
Mittel des Films lassen von Anfang an keinen Zweifel an der imaginierten
Realität, in der sich das Mädchen lustvoll verliert. Aus dem Off
klingt ihre Stimme, den Beginn eines Abenteuers kommentierend, und kurz nachdem
Angela an einem lauen Abend vom japanischen DJ-Touristen Yamamoto nach Tokyo
eingeladen wird um ihn zu besuchen, sitzt sie auch schon im Flugzeug. Über
die Leinwand läuft die Projektion eines Pferderennens, ein feister Japaner
lacht dreckig als die Tiere reihenweise an den Hindernissen scheitern und
Angela fragt sich was wohl aus all den Menschen wird, die kein Ziel im Leben
haben, die sich treiben lassen, bis sie irgendwann aufgesogen werden, von
der bösen Welt, und verschwinden, vermutlich.
Schnitt und wir befinden uns im nächtlichen Tokio, pulsierendes
Leben wo man hinsieht, immer wieder im Zeitraffer beschleunigte, sich durch
die Häuserschluchten katapultierende Fahrtaufnahmen. Angela ist in einer
Hostessen-WG gelandet, zur fünft auf engstem Raum. Sie krabbelt im Klo
auf ein kleines Podest, verliert die Balance, fällt mit der Wand ins
Haus, hier: in die Nachbarwohnung der verständnislosen japanischen Familie.
Sie heuert nach anfänglichen Schwierigkeiten in der edlen Animierbar
an, die quasi als Verlängerung der WG dient. Die Mädels sind zickig,
haben Angst, dass die Neue ihnen die Kunden wegschnappt und wir sehen uns
kein Stück veranlasst daran zu zweifeln. Viel zu deutlich wird uns
Chloé Winkel in der Rolle der Angela als Lolita präsentiert,
wird sie in ihren hautengen, figurbetonten Klamotten regelrecht vorgeführt.
Zu spitz der einladende Mund, zu knackig die Brüste, immer vorteilhaft
ins Licht gerückt, versteht sich. Ich befürchte, man erwies ihr
damit einen Bärendienst.
Weder Chloés schauspielerisches Können noch M.X.Obergs
Inszenierung vermögen diesem Ansatz zu folgen - folgerichtig deshalb
vielleicht nur, dass es auch dem Drehbuch an Mut mangelt. Anstatt die sexuell
aufgeladene Atmosphäre zu nutzen und tiefer zu gehen, dem Tagtraum die
dunkle Seite zu entlocken, verliert sich der Film in einem lächerlichen
Thrillerplot, in einer idealisierten, naiven Teenagerphantasie (wer hat im
übrigen behauptet, dass Teenagerphantasien idealisiert und naiv sein
müssen?) - und selbst der traut man dann nicht über den Weg. Der
Yakuza-Boss mit dem fehlenden kleinen Finger ist eine Karikatur, von Filip
Peeters als Knallcharge dargestellt, die Suche nach der vermissten Larissa,
die locker die zweite Hälfte des Films in Anspruch nimmt, verliert sich
zunehmend in geschwätzigen dialoglastigen Szenen, mit anderen Worten:
der Film läuft auf Grundeis.
Vielversprechend waren die sorgfältig austarierten Szenen im
ersten Drittel, die uns im Schwebezustand hielten, unser Interesse am
großen Abenteuer anfachten; bemerkenswert ist die Kameraarbeit von
Michael Mieke, sind die wunderschön ausgeleuchteten, stilisierten Sets,
wenn der Film zurückwill, auf die Ebene der assoziationsgesteuerten
Imagination seiner Hauptfigur. Aber es fehlt an Entschiedenheit, das alles
zusammenzuhalten; es fehlt auch, fürchte ich, an inszenatorischem Handwerk.
Gerade gegen Ende misslingen kleine Momente, wenn ein vielsagender Blick
ins Nichts läuft oder die Schauspieler "verkehrt" durchs Bild laufen.
Immer sind das natürlich auch Fragen des Geschmacks und der Intention.
Mir schien es jedoch als summierten sich diese "Kleinigkeiten" zur Ursache
für das Umkippen des Films.
Die letzte Szene, in der Angela zeichnend in ihrem Reihenhaus gezeigt
wird, in der Blickachse die Protagonisten der Geschichte, als Interieur einer
Gartenlandschaft entlarvt, wirkt unter diesem Eindruck beinahe wie eine
Entschuldigung.
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