The Hillside Strangler/s
Zwischen 1977 und 1979 ermorden Kenneth Bianchi und sein Cousin Angelo Buono
insgesamt 10 Frauen in Hollywood. Die nackten Leichen werden - teilweise
in extrem verhöhnenden Stellungen an Straßenrändern und in
den Hügeln von Los Angeles abgelegt. Nachdem Bianchi sich in Los Angeles
zusehends unsicher fühlte (die Polizei hatte ihn bereits einmal im
Zusammenhang mit den Morden verhört, weil eines seiner Opfer entkommen
konnte und seinen Wagen identifizierte), siedelte er Ende 1978 in einen Vorort
von Washington über. Nachdem er dort zwei junge Frauen ermordet und
dabei zu offensichtliche Spuren hinterlassen hatte, fasste man ihn. In seiner
Wohnung fand man Schmuck, den er seinen Opfern nach deren Tod gestohlen hatte.
In einem Kronzeugenabkommen mit dem Staatsanwalt belastete er seinen Cousin,
um auf diese Weise der Todesstrafe zu entgehen.
Chuck Parellos Film "The Hillside Strangler" hält sich nahezu detailgenau
an die Fakten. Hier, wie in etlichen Serienmörderfilmen der letzten
Jahre, ist eine augenscheinliche Abkehr vom Spekulativen hin zum Authentischen
zu beobachten. Doch die dokumentarische Erzählung des Films ist
natürlich nur oberflächlich neutral. In seiner Auswahl an Fakten,
die Parello im Film präsentiert, belegt er einerseits subtil, worauf
es ihm ankommt und stiftet andererseits, wie auch alle anderen Beiträge
des Genres, "Sinn". Dieser Sinn soll dem Zuschauer die Stringenz und
Notwendigkeit, mit der die beiden Männer zu Tätern werden, plausibel
machen.
So konzentriert sich Parello vor allem auf die "Karrieren" der beiden
Protagonisten. Bianchi wird als stets scheiternder Ordnungshüter-Typ
präsentiert. In der Tat hatte er sich bei verschiedenen Polizeistationen
in Los Angeles als Officer beworben, war jedoch stets abgelehnt worden. Der
Film zeigt in Folge dieser Ablehnung, wie sich Bianchi als selbsternannter
Psychotherapeut verdingt. Auch Buonos Karriere wird vom Film als "konsequent"
erzählt. Der in der Realität mehrfach wegen Vergewaltigung vorbestrafte
Hispano-Amerikaner versucht in Los Angeles mit seinem Cousin einen
Prostituierten-Ring hochzuziehen. Dies gelingt zunächst auch dadurch,
dass die beiden Männer Frauen entführen, vergewaltigen, foltern
und mit Gewalt zur Prostitution zwingen. Doch als ihnen die Mafia einen Strich
durch die Rechnung macht, sieht Buono seine Möglichkeit zur Rache in
der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der Prostituierten dieser
Mafia-Gruppe.
In seinem Versuch, die Biografie der beiden Männer zwangsläufig
auf ihre Mörderkarriere zulaufen zu lassen, verspielt Parello die Chance,
einen Beitrag zum Genre zu leisten, der mehr als nur "Mimese" zu leisten
vermag. Nicht nur fügt er durch diese "biografische Zwangsläufigkeit"
eigene Hypothesen in die Fallgeschichte ein (dass Buono den Beginn der Mordserie
mit dem Zusammenbruch seines Prostitutionsringes zusammenlegt, ist eine
zeitliche, aber noch keine kausale Folge und dass Bianchi als Therapeut Veronica
Compton kennen lernt, die ihn später zu befreien versucht, entstammt
ebenfalls den Kausalitätsansprüchen Parellos). Er lässt den
vielleicht interessantesten Aspekt der Fallgeschichte völlig
unberücksichtigt.
Dass die Morde nämlich in der Filmmetropole Amerikas - in Los Angeles
- stattgefunden haben und die Fallgeschichte darüber hinaus etliche
Schnittstellen zum System "Film" enthält, hätte die Basis für
einen interessanten Beitrag zur Verknüpfung von "Film" und "Serienmord"
werden können. So war etwa das Opfer, das den beiden entkommen konnte
und die Polizei auf Bianchis Spur geführt hat, die Tochter Peter Lorres
- ein Zufall, der angesichts der Rolle als Serienmörder, die Lorres
Karriere begründet hat, eine skurrile Fußnote des Falls bildet.
Dass aber Bianchi ein sehr reflektierender Filmfan gewesen ist, hätte
einige interessante selbstreflexive Momente in den Film einfügen
können. Bianchi hatte nämlich nicht nur seine Therapie-Ausbildung
in Filmen wie "The Three Faces of Eve" bekommen, sondern sogar seine eigene
"multiple Persönlichkeitsstörung", die er zu seiner Verteidigung
vor Gericht nutzte, aus dem kurz zuvor gesehenen Film "Sybil" entlehnt, wie
er später zugab. Parello verzichtet jedoch ganz auf solche Aspekte und
nutzt die "Multipel"-Diagnose einzig als Kausal-Verbindung zwischen Bianchi
und Veronica. Auch die Tatsache, dass Veronica ein Buch über eine
Serienmörderin schreibt, wird von "The Hillside Strangler" zwar
erwähnt, nicht aber, dass sie Bianchis Fall verwendet, um ihr Drama
authentisch zu gestalten.
Parello erzählt seine Geschichte anstelle dessen auf ästhetisch
ausgetretenen Pfaden: In typisierten "70er-Jahre-Bildern", wie sie bereits
in Genre-Beiträgen wie "Summer of Sam" etabliert wurden und mit einer
Montagepraxis, die schon in "Night Strangler" genutzt wurde, gerät Parellos
"The Hillside Strangler" zu einem "coolen Film", der sich jede Subtilität
verkneift. Unterstrichen wird dieser Eindruck vor allem vom Einsatz des
Soundtracks: In nicht wenigen Szenen werden die Morde der beiden Täter
clipartig zu Rock-Musik zusammen geschnitten.
Damit macht Parello einen Schritt zurück hinter den eigenen Anspruch
und den "modus operandi" seiner Serienmörder-Filmografie, die mit "Ed
Gein" etwas wirklich Originelles zutage gefördert hat. Seltsam "hohl"
kommt einem "The Hillside Strangler" im Vergleich zu dem Mythen-kritischen
Ed-Gein-Film vor. Weder der ruhige und bedächtige Rhythmus, der "Ed
Gein" auszeichnet, noch dessen psychologische Tiefe finden sich in "The Hillside
Strangler" wieder. Anstelle der letzteren setzt Parello voll auf den Effekt
und beruft sich auf die mit Filmen wie "Ted Bundy" oder "Gacy" seit kurzem
etablierte "Tradition der Grausamkeit". An Folterbilder spart der Film daher
auch nicht - wohl aber an kritischer Distanz zu seinem Gegenstand. Diese
Distanz hätte sich gerade in Anbetracht eines derart "filmischen" Stoffes
wie dem "Hillside Strangler"-Fall gelohnt, dessen Geschichte etliche
Schnittstellen zur ästhetischen Reflexionen über "Serienmord und
Film" geboten hätte.
The Hillside Stranglers
USA 2004
Regie: Chuck Parello
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