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Bong Joon-ho: The Host (Gwoemul, Südkorea 2006)

Von Ekkehard Knörer

Ein Monster ist immer nur so gefährlich wie der Kontext, in dem es erscheint. Das Monster in Bong Jon-Hoons Horrofilm ist ein glitschiges, trampliges, computergeneriertes Wesen vertraut ekliger Machart, das Kinder verschlingt und keinen Spaß versteht; also erst mal das Übliche. Jedoch taucht es auf aus dem Han-Fluss in Seoul, in den ein Koreaner im amerikanischen Auftrag literweise Formaldehyd verklappt hat. Die Sache mit der Verklappung ist eine wahre Geschichte und der Film nur die ins Horror-Genre extrapolierte Behauptung, dass die Feigheit vor dem politischen Freund wie der Schlaf der ökologischen Vernunft Mutationen gebären. Das ist der Kontext, der das Monster allegorisch und darum gefährlich und den Film zu einem kleinen Meisterstück keineswegs versteckter Gesellschaftskritik macht.

Es geht "The Host" aber nicht nur um das große, sondern auch das kleine ganze. Eine Familie zieht in den Kampf gegen die gefräßige Mutation. Das Monster hat die kleine Hyun-seo (Ko Ah-sung) verschleppt; man hält sie für tot, dann aber gelingt es ihr, aus der Höhle des Löwen übers Handy ihren Vater Kang-du (Song Kang-ho) anzurufen. Der ist nicht der Hellste, aber sofort zu allem entschlossen. Der Großvater, ein Imbissbudenbetreiber, ist ebenso dabei wie der Onkel, der sich irgendwie in bessere Verhältnisse geflüchtet hat, und die Tante, die als erfolgreiche Bogenschützin zu Berühmtheit gelangt ist. Die Familie trägt den koreanischen Allerweltsnamen Park. Sie sind die Helden des Films, aber auch eine Familie wie jede andere. Was freilich unübersehbar fehlt, sind Mütter. Nichts ist in "The Host" heil, und zwar von Anfang an; der Film plädiert für aktive Herstellung von Solidarität im Guten gegen das Böse, auf allen Ebenen.

Die Familie wird, wie alle, die mit dem Monster in Kontakt geraten sind, unter Quarantäne gestellt. Der Internierung entkommt der Familientrupp mit List, Geld und Chuzpe. Todesmutig, unbeirrt, wenn auch nicht immer strategisch brillant macht man sich auf die Suche nach dem Versteck, in das das Biest die kleine Hyun-seo verschleppt hat. Unterdessen wird von amerikanischer Seite die Behauptung in Umlauf gebracht, das Monster verbreite tödliche Viren. Das Militär riegelt das Gebiet um den Fluss ab, der flächendeckende Sprüh-Einsatz eines Virengiftmittels mit dem vielsagenden Namen "Agent Yellow" wird erwogen. Die tapfere Familie rennt, rettet, flüchtet und wer den Nervenkitzel sucht, kommt durchaus auf seine Kosten. Der amerika- und regierungskritische Subtext läuft freilich immer mit. Später sieht man Demonstrationen und kann dabei bewundern, wie alte Straßenkampftechniken gegen das Monster zum Einsatz gebracht werden. Nicht Godzilla vs. Mothra, sondern Molotov-Cocktail vs. Agent Yellow.

Das Erstaunliche an "The Host" ist, dass er die verschiedensten Dinge und Genres unter einen Hut bringt. Zwar hat das koreanische Unterhaltungskino neuerer Prägung ohnehin eine gewisse Aversion gegen die aus Hollywood gewohnte Sortenreinheit in Ton und Genre. "The Host" treibt es aber wirklich wild, denn zwischen Horror-Schauer und Politkritik unternimmt der Film immer wieder ausgedehnte Streifzüge aufs Gebiet der Groteske. So gibt es eine halb entsetzliche, halb zum Schreien komische Szene, in der Kang-du gehirnoperiert wird. Den Betrachter beschleichen, nein, attackieren durchweg gemischte Gefühle. Der Kern des Plots ist reines Melodram: die Wiederherstellung der Familie, die Rettung der Tochter. Dieses Ziel verliert "The Host" nie aus den Augen, nur jubelt er einem auf dem Weg dahin so allerlei unter, ohne je wirklich aus dem Gleis zu geraten. In seiner Heimat hat "The Host" dabei einen Nerv getroffen. Mehr als 13 Millionen Zuschauer wollten Bongs Horror-Polit-Groteske sehen und machten das Werk so zum erfolgreichsten koreanischen Film aller Zeiten. (Man muss sich vor Augen halten, dass Korea gerade mal 48 Millionen Einwohner hat.) Der Siegeszug setzte sich auf internationalen Festivals fort - und die ehrwürdigen "Cahiers du Cinema", für alles Amerikakritische ohnehin aufgeschlossen, führen "The Host" auf ihrer Liste der besten Filme des Jahres auf Platz 3.

(1.3.2007)

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