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The Insider
USA 1999
Regie: Michael Mann. Mit Al Pacino
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Der Mann, der zuviel wusste
Michael Manns "The Insider" ist mehr als ein ambitionierter Krimi
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Für Michael Mann ist
eine Story niemals nur eine Story. Seine Filme sind Spannungskino, doch sie
entziehen sich einer exakten Klassifizierung. Dem privaten Umfeld seiner
Helden schenkt Mann ebenso viel Beachtung wie ihrem Handeln. Die Beziehungen,
die familiären, persönlichen Hintergründe der Figuren sind
für ihn untrennbar mit ihrem storyrelevanten Tun verbunden. Was andere
Regisseure im Hinblick auf Tempo und Stringenz als unwichtig weglassen,
rückt Mann ins Zentrum des Interesses. Dadurch gewinnen seine Filme
an Tiefe - und an Breite. Wie schon sein letztes Werk "Heat" (1995) könnte
man auch "The Insider" mit einer guten Stunde weniger Laufzeit bequem
erzählen. Auch auf 100 Minuten geschnitten wäre "The Insider" spannend
und interessant, vielleicht sogar eine Spur geradliniger. Und dennoch würde
etwas fehlen. Vielleicht würde man dieses Etwas, diese spezielle
Tiefenschärfe, nicht vermissen, weil man sie von einem Thriller nicht
erwartet. Doch Mann beweist mit 160 Minuten "Insider" erneut eindrucksvoll,
dass sie möglich
ist.
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Wie bei "Heat"
erzählt Mann von zwei Männern, die er diesmal nicht gegeneinander,
sondern gemeinsam kämpfen lässt - gegen die amerikanische
Tabakindustrie, gegen die Korrumpierung der Medien und gegen die eigene Angst.
Die Geschichte der beiden Männer ist in ihren Grundzügen wahr,
erzählt wurde sie erstmals in einem Zeitschriftenartikel mit dem Titel
"The Man Who Knew Too Much". Dieser Mann, Jeffrey Wigand, ein ehemaliger
hoher Manager der amerikanischen Tabak-Kompanie Brown & Williamson, sagte
vor einigen Jahren in einem Aufsehen erregenden Prozess gegen die Tabakindustrie
aus. Durch seine Aussage wurde der Vorwurf belegt, dass Zigaretten mit
suchtfördernden Stoffen angereichert werden. Die Tabakindustrie musste
daraufhin einen Schadensersatz in Höhe von 246 Milliarden Dollar zahlen.
Der Journalist Lowell Bergman, Manns zweite Hauptperson, brachte Wigand dazu,
sich öffentlich zu äußern. Sein Fernsehbeitrag, der Wigands
brisante Anschuldigungen enthielt, wurde erst nach langem Kampf von CBS
ausgestrahlt. Das Management des Fernsehsenders hatte den Film aus Angst
vor wirtschaftlichem Druck seitens der mächtigen Tabakriesen
zurückgehalten.
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Für
die Rolle des energischen Journalisten Bergman hat Mann Al Pacino verpflichtet,
der durch bloße Präsenz mitreißt. Er gibt Bergman als
Anti-Klischee eines Journalisten: hart und sarkastisch, aber nicht zynisch,
aufrecht und ehrlich, aber mit Ecken und Kanten, aufbrausend und verbohrt,
aber nicht ausschließlich für eine gute Story, sondern für
Werte und Prinzipien. Das krasse Gegenteil verkörpert der
gleichermaßen grandiose Russell Crowe ("L.A. Confidential") als ultimativer
Insider Jeffrey Wigand: ängstlich und unsicher lässt er Wigand
wirken, ein spießiger Büro- und Familienmensch, der die
Öffentlichkeit scheut, ein labiler, schwacher, antriebsloser Mann, der
erst mit seiner Entscheidung, auszusagen, an charakterlicher Größe
gewinnt. Und paradoxerweise dadurch vom gut bezahlten Manager zum
abgestürzten Verlierer wird: Auto und Haus muss Wigand verkaufen, die
medizinische Versorgung seiner Familie gerät in Gefahr, er bekommt
Morddrohungen, seine Frau verlässt ihn mit den Kindern, er stürzt
sich in Depression und
Alkoholismus.
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Diese Verbindung von öffentlichem Skandal und privater
Tragödie wird es gewesen sein, die Mann an dem Stoff fasziniert hat.
Wo viele Kollegen sich entweder in den heroischen Kampf gegen menschenverachtende
Geschäftspraktiken und feige Medienvertreter verrannt oder das menschliche
Drama in all seinem Pathos ausgeweidet hätten, behält Mann jederzeit
die Balance. Er degradiert seine Helden nicht zu Trägern einer
idealistischen oder emotionalen Funktion, sondern baut sie geduldig zu echten
Charakteren aus - mitsamt Idealen und Emotionen. Nicht platt und explizit,
sondern in feinen, vielsagenden Andeutungen, in der Überzeugung, dass
das Ungesagte oft mehr aussagt als das Gesagte. So bekommen wir den Brief,
mit dem Wigands Frau Liane (Diane Venora) sich von ihm trennt, nicht zu lesen.
Wir lesen nur den Schmerz in Wigands Gesicht. So verpackt der Film die
Enttäuschung über den sozialen Abstieg der Familie nicht in
bedeutungsschwere Worte, sondern zeigt nur das leere Eigenheim der Wigands
und Lianes Tränen. So wird Bergmans Vergangenheit angerissen, bleibt
aber im Dunkeln, weil er nicht darüber reden will. In einer Zeit, in
der das Trauma zum bloßen filmischen Stilmittel verkommt, müssen
wir Zuschauer nicht alles wissen. |
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Gleiche Zurückhaltung auf der Ebene der
Gesellschaftskritik. Zwar gibt es manch wuchtige Ansprache, doch keine von
ihnen vergreift sich im Ton. Sachlich, hin und wieder sarkastisch, niemals
mit dem pathetischen Vibrato amerikanischer Helden, ohne triumphale Musik.
Stattdessen Kriegs-Metaphern, die den Ernst der Botschaft unterstreichen:
So gewinnen die ersten Minuten von "The Insider", die ein CBS-Interview mit
einem Hisbollah-Führer thematisieren, später mehr als bloß
einleitende Bedeutung. Die Amerikaner, sagt Mann, tun sich schwer mit den
inneren Feinden, mit dem Kriegsschauplatz im eigenen Land. Der Grund dafür
liegt im blinden Glauben an Profit und Aufschwung, der unheilvolle Allianzen
nach sich zieht. Gegen diese Entwicklung setzt Mann, ganz unaufdringlich,
die persönliche, moralische, berufliche Integrität des Einzelnen.
Das ist zweifellos altmodisch. Wie Manns Filme, die sich und dem Zuschauer
mehr Zeit nehmen, als nötig wäre. Doch in der Kunst wie in der
Wirtschaft sollte Effizienz nicht alles sein.
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