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Michel Gondry: Eternal Sunshine of the Spotless Mind / Vergiss mein nicht (USA 2003)

Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]Der Film ist das Werk zweier ungewöhnlicher "Autoren". Der Franzose Michel Gondry hat als Regisseur von Videoclips Karriere gemacht (die besten gibt es jetzt auf einer DVD - KritikKauf - gesammelt) und seine erste Spielfilmregie - Human Nature (Kauf) - nach Meinung der Kritik versiebt. Auch da schon stammte das Drehbuch von Charlie Kaufman, der im Moment wohl der berühmteste Drehbuchautor Hollywoods ist, dank Being John Malkovich (Kritik; Kauf) , Adaptation (Kritik; Kauf) - beide unter der Regie des früheren Videoregisseurs Spike Jonze - und George Clooneys Regiedebüt Confessions of a Dangerous Mind (Kritik; Kauf).

 

Eternal Sunshine of the Spotless Mind erzählt eine kohärente Geschichte, präzise, kurz, die Geschichte zweier Liebender, die zueinander finden. Joel Barrish, von dem wir nie erfahren, was er arbeitet, spricht, von sich, verliebt sich in eine Frau namens Clementine Kruczynski, die bei Barnes and Noble arbeitet, auf Long Island. Sie begegnen sich, von einem seltsamen Impuls dorthin getrieben, in Montauk, es ist kalt, fast nichts los, er ist schüchtern bis zur Verklemmtheit, sie impulsiv, der Beginn, denkt man, einer wunderbaren Liebe, dann kommt der Vorspann, der die Vorgeschichte trennt von dem, was danach geschah.

Es wird niemals wieder so einfach sein, ja es wird auch das, was wir gesehen haben, sich als viel komplizierter erweisen als es schien. Der Anfang ist ein Neuanfang, einzig einer Löschung gedankt, vorgenommen von der Firma Lacuna Inc., die Erinnerungen zu eliminieren vermag. Man bekommt einen Helm auf den Kopf, der Computer lokalisiert Erinnerungsfragmente im Hirn und löscht sie, auf Knopfdruck. Ein etwas langwieriger Prozess, man macht Hausbesuche. Was märchenhaft klingt, ist traumatisch für die Mitwelt. Joel Barrish muss erleben, dass ihn Clementine gelöscht hat, die Freunde bekommen Zettel, in denen sie gebeten werden, die künstlich vergessene Person nicht mehr zu erwähnen. Joel schreitet zur Gegenlöschung

Was so vorgeschlagen wird, ist eine technisch saubere Lösung für den Kummer der Liebe, aber auch, a fortiori, des Erinnerns. Wovon die Grundidee des Films träumt, ist eine schöne neue Welt der Identitätsmanipulation (natürlich ist es ein Alptraum). Ob einer derselbe sein kann, wenn er nicht mehr weiß, wie ihm geschehen ist, obwohl er nach dem, was ihm geschehen ist, nicht mehr derselbe war. Die Reaktionsszenarien, die Eternal Sunshine of the Spotless Mind (das übrigens ist ein Alexander-Pope-Zitat) vorschlägt, verneinen das. Es sind dies unwillkürliches Erinnern, halbbewusster Widerstand gegen Löschung und vor allem: Wiederholungszwang.

Diese drei Szenarien werden narrativiert. Im unwillkürlichen Erinnern erkennen sich die Liebenden wieder und wissen nicht wie; das ist also beinahe wie in der Liebe sonst auch. Der halb bewusste Widerstand ergibt den schönsten Teil des Films – Joel Barrish liegt im Bett, sediert, das Löschungsteam (Kirsten Dunst, Elijah Wood und Mark Ruffalo) tanzt auf dem Grab seiner Erinnerungen und agiert dabei seine eigenen Wiederholungszwänge aus.

Der Film aber psycholgisiert den Löschungsvorgang in ein surreales Abschiedsdrama. Joel, der jetzt, hilflos, nicht loslassen will, kämpft um Clementine, um seine Erinnerungen an sie. Für diesen Kampf findet Michel Gondry erstaunliche Bilder: sich auflösende Räume, der Angriff des künstlichen Vergessens auf die gemeinsame Zeit als Verfolgungsszenario, Versuche, Clementine in unauslöschlichen Erinnerungen unterzubringen. Strategien der Vergessensvermeidung, einer ars memoriae unter höchstem Zeitdruck.

Die Erschließung dieses Raums, in dem rasch alles aufs Komischste durcheinander geht (Komik und Tragik nicht zuletzt), ist die grosse Leistung des Films. Hier erweist sich Gondry, über den üblichen Kaufmanschen Gimmick weit hinaus, als Virtuose des Gebens von Bildern, die widersprüchliches Erleben auf den Punkt bringen. Die rasante Folge der gefundenen Bilder ist in ihrem von einem Moment auf den anderen überzeugenden Durcheinander ein Strom des Unbewussten, der seinesgleichen sucht. Nur konsequent ist die Vermischung von Infantilem und Begehren, das Ganze somit auch eine Paraphrase auf das infantile Moment allen Begehrens: der Wunsch, es möge perfekt sein, unzerstörbar, der Wunsch, der schöne Augenblick möge nicht vergehen.

Nichts ist perfekt, alles vergeht, dazu bedarf es keiner künstlichen Löschungen. Dies die nüchterne Botschaft des Films, die er in bitteren Szenen einer Liebe zwischen die verzweifelten Wunschszenarien mischt. Aber auch, dies die romantische Botschaft, die künstliche Löschung ist nicht perfekt. An die Stelle des Vollkommenen tritt der Wiederholungszwang, eine Sache unserer Neurosen, nicht unserer Vollkommenheit. Als romantische Komödie, die zu sein der auf Messers Schneide tanzende Film sich zuletzt entscheidet, geht Eternal Sunshine of the Spotless Mind gut aus, wie man so sagt. Er ist, mit Stanley Cavell gesprochen, eine Komödie der Wiederverheiratung, wenngleich die verdrehteste ihrer Art. Die neurotische Regung, die Begehren heisst, lernen wir, ist keine eindeutige Sache. Der Vorschlag zur Güte, das Gegenteil einer technischen Löschung: Schwamm drüber, der Erinnerung zum Trotz.

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