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Michel Gondry: Vergiss mein nicht / Eternal Sunshine of the Spotless Mind  (USA 2003)

 

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Michel Gondry: Vergiss mein nicht / Eternal Sunshine of the Spotless Mind  (USA 2003)
Kritik v
on Stefan Höltgen

 

Das totale Vergessen

Film ist ein Medium des Erinnerns und Vergessens. Zum einen speichert es Momente der Vergangenheit; zum anderen ist der filmische Moment so kurz, dass er - kaum wahrgenommen -, schon wieder vorbei ist. Damit wird Film zum idealen Medium für Lebensgeschichten, die es aus der Vergangenheit hervorerzählen und gleichzeitig als längst vergangen vorüberziehen lassen kann. Handelten solche Filme dann selbst noch vom Erinnern und Vergessen, so ließ sich das Thema oft ästhetisch ansprechend umsetzen: Total Recall (1990), Twelve Monkeys (1995) oder nun Eternal Sunshine of the Spotless Mind.

Gondrys zweiter Spielfilm erzählt die Liebesgeschichte von Joel (Jim Carrey) und Clementine (Kate Winslet). Sie lernen sich wie zufällig an einem Bahnhof kennen und sofort verlieben sie sich ineinander und verbringen einen Tag und eine Nacht auf einer verrückten Reise. Als Joel Clementine am nächsten Morgen nach Hause bringt, begegnet ihm vor ihrem Haus ein junger Mann (Eliah Wood), der ihn zu kennen scheint. Von da ab verliert Joels und Clementines Geschichte ihren Halt.

Vergiss mein nicht, so der deutsche Titel von Eternal Sunshine of the Spotless Mind, gibt nach dem oben beschriebenen Prolog seine chronologische Erzählung auf. Er fügt Szenen aus verschiedenen Zeitabschnitten zusammen: Joel, der auf Clementine trifft, die sich nicht an ihn zu erinnern scheint; Joel, der herausfindet, dass Clementine ihn durch einen neurologischen Eingriff aus ihrem Gedächtnis entfernen ließ; Joel, der sich aus Trauer und Wut nun auch Clementine löschen lassen will; der Akt des Löschens, der im Schlaf geschieht und Joels plötzlicher Wunsch, doch nicht vergessen zu müssen.

In wildem, aber keineswegs zufälligem Rhythmus rekonstruieren Gondry und sein Drebuchautor Charlie Kaufman die Liebesgeschichte zwischen Joel und Clementine. Die Erzählung ist geprägt von Erinnerungsbruchstücken Joels, Momenten der Liebe und des Hasses. Dazwischen werden die Praxis des Neurologen Dr. Mierzwiaks und seiner Mitarbeiter, die sich allesamt aneinander, an Joel und Clementine schuldig machen, berichtet. Auf nicht anders als genial zu bezeichnende Weise führt Gondry diese Erzählfäden zusammen.

Das eigentlich Atemberaubende des Films ist neben der originellen Erzählung seine Inszenierung. Gondry greift tief in seine Trickkiste, die er als langjähriger Videoclip-Regisseur mit optischen und akustischen Einfällen gefüllt hat. Er schafft es tatsächlich zu "zeigen", wie Vergessen funktioniert und welche Angst damit einhergeht, sich nicht mehr erinnern zu können ... zu dürfen! Da verschwinden Menschen, die wie Seifenblasen platzen, aus Joels Erinnerung, Szenenaufbauten bauen sich sukzessive ab, Dunkelheit schiebt sich von hinten in (Erinnerungs-)Szenen und Joel und seine imaginierte Clementine fliehen und verstecken sich an Orten, wo sie der Erinnerungslöschmaschine zu entkommen hoffen.

Unterstützt werden Erzählung und Inszenierung von den Schauspielerischen Leistungen Jim Carreys und Kate Winslets, die hier die Höchstleistungen ihrer bisherigen Karriere erreichen. Es ist kaum zu glauben, wie einfühlsam und bedrückend Carrey, der sonst eher durch verschrobenes Mienenspiel brilliert, das Leid und die Angst Joels fühlbar macht. Kate Winslet spielt im Counterpart die Clementine als leicht verrückt-impulsive, originelle junge Frau, die durch das verschlossene Wesen Joels in Depression und Agression getrieben wird. Auch ihr Spiel ist an Authentizität kaum zu überbieten.

Was das Gespann Gondry/Kaufman mit Vergiss mein nicht jenseits aller Genrekonventionen inszeniert hat, dürfte einer der originellsten Filme seit David Lynchs Lost Highway (1997) sein. Damit ist der etwas langatmige Erstling Human Nature (2001) mehr als wettgemacht. Etwas Ähnliches, wie Vergiss mein nicht, hat man sicherlich lange Zeit im Kino vermisst. Die ausgeklügelte Filmkunst, der man die Videoclip-Vergangenheit Gondrys deutlich ansieht, ist eine konstruktive Bereicherung für den Spielfilm und lässt - nach Spike Jonzes Filmen - ahnen, dass da wohl eine neue Generation von Filmemachern vor der Tür steht.

Vergiss mein nicht
(Eternal Sunshine of the Spotless Mind, USA 2004)

Regie: Michel Gondry
Buch: Charlie Kaufman nach einer Story von Gondry, Kaufman und Pierre Bismuth
Kamera: Ellen Kuras; Schitt: Valdís Óskarsdóttir; Musik: Jon Brion
Darsteller: Kate Winslet, Jim Carrey, Kirsten Dunst, Mark Ruffalo, Elijah Wood u. a.

Verleih: Constantin; Länge: 115 Minuten

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