Ok, da gibt es diesen nekrophilien Familienvater, Hahnenkämpfe
in Matrix-Bullet-Time, singende Knetmännchen, das Kinderpool voller
Scheiße, den Killer mit dem breitesten Grinsen der Filmgeschichte,
die Nummer mit dem Schäferhund, die giftige Dartpfeile verschießende
Pussy und natürlich die mit der Drahtsäge beendete Affäre,
aber das Beeindruckenste an Miike ist doch immer noch, sein nicht nur enormer
Output von bis zu sieben Filmen pro Jahr, sondern mit welcher
chamäleonhaften Gabe dieser Wahnsinnige in der Lage zu sein scheint,
sowohl inhaltlich wie auch in technischer Hinsicht, dabei jeden nur denkbar
Style zu fahren.
Ob er nun ein bis in den Stillstand mit härtester Strenge
zurückgenommenes dreistündiges Yakuza-Drama, wie AGITATOR, mal
eben aus dem Ärmel zu schütteln scheint, mit GOZU den Handlungsort
höchst souverän mal eben kurz in den David Lynch-Kosmos verlagert,
mit Video, wie mit VISITOR Q geschehen, den wohl schönsten Nicht-Dogma
Quatsch fabriziert oder eben auch mal ein Musical mit Knetmännchensequenzen
wie THE HAPPINESS OF THE KATAKURIS inszeniert. Miike scheint noch lange nicht
an seine Grenzen gekommen.
Nun, als Weltpremiere 2004 in Rotterdam, dem Festival, das ihn vor
vier Jahren mit DEAD OR ALIVE und AUDITION für den Westen entdeckt hat
und wo seit diesem Jahr immer mindestens zwei neue Filme von ihm zu sehen
sind, ZEBRAMAN, sein erster "Kinderfilm", in bonbonfarbenem
Post-Neunziger-Godzillafilme-Look.
Aikawa Sho (in seinem hundertsten Filmauftritt) spielt einen Lehrer,
von Frau, Tochter und Schülern verlacht und gedemütigt, der hilflos
mit ansieht wie sein Sohn, wegen ihm von seinen Mitschülern gequält
wird (eine Figur also, wie sie uns Miike in dem Familienvater aus VISITOR
Q schon einmal vorgestellt hat). Statt Muttermilchexzessen flüchtet
sich der Vater hier allerdings mit naiver Unschuld ins Nerdtum und
vergöttert einen nie wirklich zum Durchbruch gelangten Superhelden seiner
Kindheit, lernt dessen Dialoge auswendig und bastelt sich auch bald dessen
Kostüm nach, um als ZEBRAMAN Nachts durch die dunkel Gasse hinter seinem
Haus zu rennen. Ironischer Weise erinnert er dabei an die Titelfigur aus
Miikes, neben VISITOR Q wohl exzessiv härtesten Film ICHI THE KILLER.
ZEBRAMAN steht allerdings nicht wie ICHI onanierend im Dunklen auf dem Balkon,
sondert stolpert stattdessen eines Nachts über Lobsterman, einen gleichfalls
naiv wirkenden Sammler von Büstenhaltern. Im darauf folgen Kampf brechen
in ZEBRAMAN die Superkräfte durch, was gerade gut ziemlich gut kommt,
plant eine Armee kleiner grüner Männchen, von Keller unter der
Schulsporthalle aus die Welteroberung in bester MARS ATTACKS!-Manier. Tokio
braucht ZEBRAMAN und mit fortlaufendem Verlauf wird tief in die CGI-Trickkiste
gegriffen um dem Rechnung zu tragen.
Das gelingt alles sehr nett und macht über weite Strecken sogar
mächtig Spaß. Dabei wirkt ZEBRAMAN, wie ein mit großem Budget
und wirklich gelungenen Effekten aufgeblasener Pilotfilm zu einer japanischen
Superhelden-Serie a la ULTRAMAN, gespickt mit einer Menge
Miike-Skurrilitäten, denen hier wegen der angepeilten eher jüngeren
Zielgruppe (und wohl auch wegen der Höhe des Budgets) etwas die Spitzen
fehlen. Dennoch ein großer Spaß.
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