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Roberto Benigni: Das Leben ist schön (Italien 1998)

Von Ekkehard Knörer 

Selten hat man einen Film in zwei so auf den ersten Blick verschiedene Hälften zerfallen sehen. Auf der einen Seite die unbeschwerte, ja alberne Komödie, die auch das ihr gemäße glückliche Ende nach etlichen Slapstick- Irrungen und Wirrungen nimmt. Auf der anderen Seite das tragische Spiel, als das Roberto Benigni als Vater seinem Sohn das Leben im Konzentrationslager inszeniert. Dazwischen liegt ein großer Regie-Einfall (der einzige in diesem Film), der darin besteht, daß in einer fast unmerklichen Blende einige Jahre auf eine Weise ausgeblendet werden, wie das nur im Kino so schlüssig gelingen kann. Wenige Sekunden, nachdem die Liebenden sich zum Schäferstündchen ins Gewächshaus zurückgezogen haben, kommt der bereits fünf- oder sechsjährige Sohn aus diesem Gewächshaus herausspaziert. Die Welt, in die ihm der Zuschauer nun folgt, ist, binnen dieser Sekunden, eine andere geworden.

Die Frage ist, wie diese beiden Hälften, Himmel und Hölle, Tag und Nacht, zusammenpassen. Verbunden sind sie in erster Linie über die Benigni-Figur, die bereits die italienische Kleinstadt-Märchenwelt des ersten Teils mit ihrem magischen Weltverständnis zu beherrschen scheint. Esgelingen ihm eigentümliche Verzauberungen, die, vor allem die Frau, die er umwirbt, wie magischer Realismus anmuten mögen, aber nur die glückliche Handhabung von Zufällen sind. Benigni ist das Genie der Lücke, des rechten Moments, des Sich-Dazwischen-Schiebens, des Ausnutzens jedes Moments. Er ist ein Virtuose darin, die Welt stets so zu arrangieren, daß er der Situationsmächtige wird und sei es, im Moment, als seine Prinzessin den bösen Faschistenfreund zu heiraten droht, durch ausgesprochene Tölpelhaftigkeit. Vor allem aber ist es eine Sache des Mundwerks ('gift of gab', wie das auf Englisch so schön heißt), des rhetorischen Verfügens über Welt- und Situationsdeutungen. Im ersten Teil des Films, im leichten bis albernen commedia dell'arte Ton gehalten, macht ihn das zum glücklichen Clown der Komödie, glücklich auch in seiner Blindheit für den Ernst dessen, was sich zusammenbraut (und der Film übernimmt diese Perspektive der Blindheit, der Zuschauer akzeptiert sie dankbar). Sehr bewußt sind in diesem ersten Teil Signale gesetzt, die auf das, was kommen wird, hindeuten. Eigentümlicherweise geht das Märchenhafte der ersten Hälfte an den Hinweisen auf den stets gegenwärtigen, im Stile von Lubitschs 'Sein oder Nicht Sein' weggelachten Faschismus, keineswegs zuschanden. Vielmehr nimmt der Faschismus eher den in der Märchenstruktur notwendigen Part des unmotiviert Bösen ein, gegen das sich der Gute zu behaupten hat.

Im zweiten Teil erfolgt sehr abrupt der Transport ins Lager, der Transport in eine andere Welt, einen anderen Ton. Nicht, daß der Film nach der kulissenhaften Theaterwelt seines sorglosen ersten Teils nun auf Realismus aus wäre. Klugerweise ist das Gegenteil der Fall. Das Lager ist ebenso kulissenhaft wie die Kleinstadt des ersten Teils. Zwei Momente allerdings scheinen sich

nicht ganz zu fügen und nur hier rührt sich die etwas bedenkliche Frage, ob das Unaussprechliche dabei nicht allzu leichtherzig vorgeführt wird. Einmal sieht man, wie Alte und Kinder in den Vorraum der Dusche geführt werden, deren wahre Funktion man kennt (man erinnere sich, daß auch in 'Schindlers Liste' die Duschraumszene die bedenklichste war). Der andere Moment ist, wenn in einer surrealen Szene aus dem Nebel ein höllenbreughelscher Berg von Skeletten vor Benigni auftaucht. Es sind das vielleicht die interessantesten Stellen, da man sich eigentlich nur hier ernsthaft fragt, ob das geht, ob das nicht zu weit geht in der gutmütigen Vereinnahmung des Grauens.

Diese Frage stellt sich nicht bei der eigentlichen Pointe dieses Films, die man vom ersten Moment an akzeptiert. Und das deutet darauf hin, daß der erste Teil darauf mit einiger Raffinesse hingear- beitet hat. Benigni erweist sich seinem Sohn gegenüber auch in der entsetztlichsten vorstellbaren Wirklichkeit als der situationsmächtige Märchenonkel, der die Welt mit bloßen Worten glaubhaft umzudeuten versteht. Der Reiz für den Zuschauer besteht, neben der Rührung durch das aufopfernde Bemühen um das Aufrechterhalten der erfundenen Wirklichkeit, in den Effekten dramatischer Ironie. Es ist, als hätte man sich selbst auf eine Wette mit dem Hauptdarsteller eingelassen, die dieser gegen alle Chancen am Ende doch gewinnt.

Das eigentliche Problem des Films ist, für mein Empfinden, überhaupt keines, das mit der Gefahr des Spiels mit dem Holocaust zu tun hätte. Es hat seine schöne Richtigkeit, daß es im zweiten Teil keinen unbeschwerten Scherz mehr gibt, daß einem ein ums andere Mal das Lachen im Hals stecken bleibt, daß der Clown zur tragischen Figur wird. Das eigentliche Problem scheint mir ein eher dramaturgisches und liegt darin, daß die ganze zweite Hälfte nur die Verlängerung der einen Pointe der Wirklichkeitsumdeutung ist. Hin und wieder werden ihr interessante Variationen abgewonnen, im ganzen aber ist das von einer bald etwas ermüdenden Vorhersagbarkeit. Man sieht, daß Benigni, im verständlichen Bemühen, nichts verkehrt zu machen, vor jedem wirklichen Spiel mit dem Entsetzen zurüchschreckt. Das wäre die andere, gefährlichere und reizvollere Option gewesen: dem Wahnsinn des Konzentrationslagers mit dem Wagemut des Absurden und vielleicht sogar der Geschmacklosigkeit sich zu nähern. Und so wäre der einzige Vorwurf, den man diesem Film, an dem vieles gelungen ist, machen könnte, der, daß er die Grenzen des guten Geschmacks kein einziges Mal überschreitet.

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