Frage: Mr. Washington, in Ihrem neuen Film spielen Sie ausnahmsweise
einmal nicht den Guten, sondern einen korrupten Polizisten.
Denzel Washington: Dieser Typ ist so ambivalent, dass ich seine Motive
manchmal selbst nicht verstand. Auf der einen Seite ist er schlichtweg
diabolisch, doch dann kümmert er sich wieder um andere.
Frage: Gehört zu einer solchen Rolle ein gewisser Mut?
Washington: Ich bin mir ganz sicher, dass die Rolle einigen Leuten
nicht gefällt und sie sich fragen, wieso ich den Part angenommen habe.
Aber das ist mir egal, damit kann ich leben. Direkt vor "Training Day" habe
ich einen anderen Film mit dem Titel "John Q" gedreht, der aber erst 2002
in die Kinos kommt. Darin spiele ich einen ganz süßen, netten
Familienmenschen. Mein Koproduzent meinte, dass dies meine Entschuldigung
für "Training Day" sein könnte. Aber ich mache mir darüber
keine Gedanken. Ich wollte diesen Polizisten spielen, und wenn die Menschen
mich so nicht sehen wollen, sollen sie nicht ins Kino gehen. Ich bin nicht
da, um das Publikum zufrieden zu stellen, sondern ich will verschiedene Figuren
spielen. Dieser Film hat mich stimuliert.
Frage: Immer wieder hört man von großen Polizeiskandalen
in Los Angeles und anderen amerikanischen Städten. Inwiefern bewegt
Sie so etwas?
Washington: Dieses Drehbuch ist schon fünf Jahre alt und wurde
erst jetzt umgesetzt. Jüngere Skandale konnten also nicht mehr
einfließen. Der Autor stammt zwar aus Los Angeles, aber die Geschichte
hätte auch woanders spielen können. Dennoch sollten wir nicht aus
den Augen lassen, dass es sich hier ein Film handelt - Fiktion und Unterhaltung
stehen an erster Stelle. Skandale hat es immer gegeben und wird es immer
geben.
Frage: Wie verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie nicht in den USA
drehen?
Washington: Ich bin ein sehr religiöser Mensch und beschäftige
mich viel mit Wohltätigkeitsvereinen und -veranstaltungen. In den letzten
elf Jahren habe ich immer in Europa Urlaub gemacht - meistens in Italien.
In diesem Sommer war ich mit meiner Familie in Paris, in Positano, Elba und
Portofino. Außerdem mag ich Pasta.
Frage: Woher kommt dieser Sinn für Wohltätigkeit?
Washington: Meine Eltern haben mir beigebracht, das was man hat, zu
teilen. Ich verhalte mich entsprechend. Ich habe Glück gehabt, habe
viel Geld verdient und eine wundervolle Familie. Also gebe ich etwas davon
an andere Menschen weiter, die bisher nicht soviel Glück hatten. Ich
rede nicht allzu viel darüber, aber es verschafft mir sehr viel
Befriedigung. Wir haben diesen Film in den gefährlichsten Gegenden von
Los Angeles gedreht, wenn nicht sogar den gefährlichsten in den gesamten
Vereinigten Staaten. Und wir hatten keinerlei Probleme. Man wollte uns zeigen,
dass man auch dort etwas wert ist, dass man Verantwortung übernehmen
kann, wenn man nur die Möglichkeit dazu bekommt. Ich wollte die Familien
kennen lernen, habe mich vorgestellt, sie haben mich eingeladen und wir haben
zusammen gegessen. Letztendlich waren wir wie eine große Familie.
Siegfried Tesche / Rico Pfirstinger
copyright Rico Pfirstinger 2001
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