Comix Corner : Comics & Graphic Novels. Marc-Antoine Mathieu: Tote Erinnerung (2000)
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Autor

Marc-Antoine Mathieu (*1959)
Besuch der  Kunsthochschule in Angres, Mit-Gründer der Ausstellungs-Agentur Lucie Lom. Erster Comic, 'Paris-Macon' gemeinsam mit seinem Bruder Jean-Luc, 1987. Am bekanntesten wird seine Serie um den Angestellten des Ministeriums für Humor, Julius Acquefacques

Wertung


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Marc-Antoine Mathieu: Tote Erinnerung (2000)

Eine Kritik von Ekkehard Knörer

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Marc-Antoine Mathieu erzählt eine Geschichte aus Versatzstücken an Handlung und Ideologiekritik: Kafka, ein wenig auch: Brazil, kommt einem ganz unvermeidlich in den Sinn angesichts der sinnlos wuchernden, in unendliche Gänge und Treppen verzweigten Bürokratie. Dazu kommt ein gutes Stück 2001 und Cyber-Punk, postmoderne Sprachtheorie, Kritik an Allgegenwart der Medien, Verlust der Individualität des austauschbar gewordenen Subjekts.

Marc-Antoine Mathieu: Tote ErinnerungIm Zentrum steht ein passiver Held von kolossaler Durchschnittlichkeit: Monsieur Houffe, der Brille, Nase, Schnauzer trägt als wäre es eine Maske. Er wird zum Leiter einer Kommission ernannt, die das bedrohliche Phänomen, von dem die Geschichte des Comic handelt, gründlich beobachten soll. Das Phänomen: Mauern, die wie von selbst mitten in der Stadt wachsen, Stadtviertel, Menschen voneinander trennen und abgrenzen. Diese Abschottung - man kommt kaum umhin das als arg schlichte Parabel auf Vereinzelung in der modernen Gesellschaft zu lesen - wird von einer noch beunruhigenderen Katastrophe begleitet: die Menschen verlieren ihre Fähigkeit zu sprechen, sich zu erinnern.

Beides, also: ihr zuinnerst Menschliches, haben sie abgegeben an einen riesigen, als fetter schwarzer Betonblock in der Stadt sitzenden Supercomputer, der nun das Gedächtnis der Bewohner besitzt und ist, ein Ort vom Materialen abstrahierter Superkommunikation ohne Handlungs-Sinn und -Zweck. Monsieur Houffe tut, was man mit Computern dieser Art seit 2001 tut: er schaltet ihn ab, hier ganz ohne Sentiment. Seine, des Computers, Stimme kommentiert und erklärt in unter den Panels mit Unterbrechungen fortlaufendem Text das Ausmaß und die Gründe des traurigen Endes, dem sich die allenthalben zugemauerte Stadt nähert.

All das ist arg simple und auch humorlose Gesellschaftskritik, wäre einfach nur ärgerlich, gäbe es nicht die Bilder, die Marc-Antoine Mathieu dafür findet. Die sind zwar kein bisschen weniger eindeutig, aber ihr monumentales, in Muster und scharf geschnittene Flächen und starke Kontraste verliebtes Schwarz-Weiß beeindruckt ein ums andere Mal. Vieles auch an dieser Alptraumwelt ist Zitat, aus Metropolis zum Beispiel. Dennoch: darunter sind Bilder von (und das allegorische für kann man gelegentlich vergessen) Verlassenheit, von der Konfrontation des Individuums mit scharfkantiger Stadtwüste, die eine Kraft haben, die letztlich nicht über die Thesen siegt, ihnen aber doch einen gewissen Widerstand autonomer Bedeutung entgegensetzen.

Comix Corner:  Marc-Antoine Mathieu: Tote Erinnerung (2000)

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