Fernsehkritik: Dominik Graf: Deine besten Jahre

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Fernsehkritik

Dominik Graf: Deine besten Jahre (D 1999)

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s. auch Eintrag Dominik Graf in unserem Regisseurs-Lexikon Auteur.de

Ganz gewiss ist es nicht die Story, die „Deine besten Jahre" zu einem großartigen Film macht. Milieu und Plot muten geradezu reineckersch an, aber das hier ist Derrick auf Speed. Schon die Eröffnungssequenz, die mit fahriger Kamera, in angetrunkenen Schwenks und Schnitten die Protagonisten vorstellt, auf einer Party im und vor dem Haus von Vera und Manfred, ist atemberaubend. Hier wird nichts erklärt, keine psychologische Einführung unternommen, sondern eine bedrohliche Grundstimmung aufgebaut, die den Rest des Films infizieren wird. Nichts ist hier harmlos, soviel wird verraten, obgleich erst einmal nichts passiert, das einem unheimlich sein sollte.

Vor allem errät man nicht, wohin die Reise geht, welche Wendungen diese Geschichte nehmen wird. Ein Ehepaar, mittelglücklich, ein unglücklicher pubertierender Sohn unter Leistungsdruck, Veras Schwiegermutter, das Grab der Eltern. Und nichts davon ist, was es scheint. Am Grab der Eltern taucht eine Frau auf, die behauptet, die Geliebte von Veras Mann zu sein. Vera will ihn auf die Probe stellen, verreist mit ihm. Dann verunglücken er und der Sohn tödlich. Ein Schlag, der Veras Leben erst einmal in eine Nacht taucht, für die Dominik Graf und Benedict Neuenfels hypnotische Bilder gefunden haben. Sie setzen Filter und Blenden ein, Zooms und Schwenks und nichts davon verselbständigt sich, sondern zwingt einen zu radikal subjektiver Wahrnehmung, zieht einen in Veras Welt.

Abenteuerlichen Sprüngen von Zeit und narrativer Logik folgt man blindlings. Blanker Horror folgt, Unheimliches, Unerklärtes. Eine grandiose Szene, traumhaft schön und alptraumhaft beängstigend, im Wald, irreal beleuchtet, perfekt geschnitten in ihren Verzögerungen, räumlichen Verunklärungen. Ein aufgeknüpftes Taschentuch, das in der Kälte gefriert, wird zum rätselhaften Traumbild einer Suche, die die Figuren in fast metaphysischer Verlassenheit zeigt, in einem Totenreich, das an die transzendentesten Lynch-Bilder in Twin Peaks erinnert. Am Ende das Bild einer Pietà, die Erlösung. Mit Psychologie hat das alles nichts zu tun, es geht um die Bilder, zu denen die Figurenarrangements gerinnen, in deren radikalen Umschlägen sie sich verwandeln. Es geht auch um Menschen wie um Bilder, die an ihr Äußerstes getrieben werden, in Todes- und in Kitschnähe, in ein Pathos, das schwer auszuhalten ist. Das Wunder ist, dass Dominik Graf die Spannung halten kann, dass die Wucht seines Erzählens ihn nie (so gut wie nie) über die Klippen ins Lächerliche trägt, dass einen diese Bilder in einen Aufruhr versetzen können, dem man mit Rationalisierungen nicht beikommt.

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