Theater Corner: Christoph Marthaler: Die zehn Gebote (Volksbühne, Oktober 2001)

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Die zehn Gebote

Regie: Christoph Marthaler

Oktober 2001
Berlin, Volksbühne

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Christoph Marthaler: Die zehn Gebote (Volksbühne, Oktober 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

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Das Wunder ist, wenn ein Theaterabend ohne jede Nötigung durch eine Fabel zusammen hält. Dieses Wunder geschieht, trotz gelegentlicher Längen, in Christoph Marthalers sehr freihändiger Inszenierung von Vivianis "Die Zehn Gebote", irgendwo zwischen Klavier- und Orgelklang, Kitschgesang und dem roten Faden des enger oder weiter Katholischen meist folgenden Grotesk-Dialogen. Und irgendwann, leider ein gutes Stück vor dem Ende, hat es sich dann mit dem Wunder, es gewinnt die reale Zeit ihre bleischwere Oberhand über die leichtfüßige Theaterzeit.

Es beginnt mit einer von kurzen Monologfetzen unterbrochenen Messe rechts in der Seitenkapelle des Viebrockschen Bahnhofs-Wartehallen-Bühnenbildes, die Beteiligten sind hier versammelt, um sich dann, in das Stück, das eine Nummernrevue sein wird, hinein zu verstreuen. Die Figuren gewinnen ihre (in manchen Fällen multiple) Identität durch die Rollen, die sie in den Nummern übernehmen, nicht durch die Kohärenz einer Konstellation, eines Problems oder eines Charakters. So gibt Matthias Matschke in mehreren, gelegentlich allzu rampensaumäßig vorgeführten Comedy-Nummern sehr überzeugend den schmierigen Entertainer, der, zum Beispiel, Unsinn über den Magnesium-Anteil im menschlichen Körper redet, aber auf italienisch, das klingt dann sehr schön. Von anderem Kaliber sind die Auftritte von Sophie Rois, in deren Stimme noch bei schmissigen Belcanto-Songs der Wahnsinn lauert - und einmal vollführt sie musikbegleitend ganz und gar Erstaunliches mit ihren Händen.

Natürlich sind die Musiknummern, mit einem hübsch absurden Schlager, der "Schiff vom Stapel" auf "nach Neapel" reimt bis zu "Sag mir quando, quando, quando" und einem ganz chormäßig vorgetragenen "Santa Lucia", alle miteinander Höhepunkte des Abends, eingeholt nur von einer einzigen Sprech-Szene, die die zehn Gebote durch absurde Weiterungen - wie etwa: "Du sollst es einmal gut haben" - zur Strecke bringt; die unsinnige Schlusspointe ("Hände weg von Kuba") ist ein echter Klassiker. Sonst aber ist manches in der zweiten Hälfte müde, allzu albern, weder so richtig komisch noch je richtig traurig. Beinahe peinlich schon Martin Wuttkes Ausbruch in vulgäre Gottesbeschimpfung, eine Nummer, die viel zu lange dauerte, selbst wenn sie komisch wäre, was sie nicht ist. An dieser Stelle fällt die Inszenierung geradezu in sich zusammen, stößt den Betrachter zu ihrem Unglück mit der Nase auf die zuvor meist elegant überspielte Tatsache, dass sie so recht nichts zu sagen, dass sie auch an der Vorlage keinen ebenbürtigen Partner hat. Was schade ist, denn wundersamerweise war es ihr doch anfangs gelungen, das ganz und gar vergessen zu machen aus eigener Kraft.

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