Hans-Christian Schmid: 23
(D 1998) Rezension von Ekkehard Knörer
Mit Hans-Christian Schmids neuem Film '23'
läßt sich auch 'Nach fünf im Urwald', sein Debüt, noch
einmal anders einordnen: nicht in erster Linie als die hübsche, aber
harmlose Komödie, die der Film auch ist, sondern als erster Teil eines
größeren Projekts bundesrepublikanischer Geschichtsschreibung.
Stand der Erstling aber letzten Endes im Zeichen der Versöhnung zweier
Generationen, alt gewordener 68er und ihrer Kinder, so erscheinen die 80er
Jahre in '23' als ausnehmend düstere Epoche ohne Ausweg.
Schmid inszeniert diesen Wahn nüchtern,
ja geradezu dokumentarisch. Die fieberhafte Wahnwelt ist die penibel
rekonstruierte Zeichen- und Warenwelt der 80er Jahre. Die Jahre, die wir
kennen, oder zu kennen meinten, haben sich, ein Jahrzehnt später,
verändert, verdüstert. Wiederkehr des Vertrauten, aufs Unheimlichste:
die Stimmigkeit der Details, das Ausgewaschene, Bleiche der Farben, der
Realismus-Effekt, die nur leichte Verschiebung der Normalwahrnehmung auf
den an sich ja kontingenten Fluchtpunkt der 23, das ist alles viel klüger
und wirkungsvoller als es der Versuch der Mimesis des Wahns gewesen wäre.
Schmid zeigt, daß Fremheit und Vertrautheit in filmischem Realismus
zugleich möglich sind. Und die irritierende Verunsicherung, die
der Film hervorruft, verdeutlicht noch einmal die Fadheit
möchtegernzeitgeistiger komödiantischer Realitäts- verdopplung
per Mimikry an die oberflächlichsten Ideologien gegenwärtigen twenty-
und thirty- something-Lebens (von 'Robbykallepaul' bis zu paarungsreifen
Großstädtern, ebenso wie das Gewollte und nicht Gekonnte
zeitdiagnostischen Extremsports ('Solo für Klarinette', 'Stille Nacht'
etc.). |