American Beauty
USA 1999
Regie: Sam Mendes
Rezension von Ekkehard Knörer
American Beauty, der Debütfilm des britischen
Theaterregisseurs Sam Mendes, ist ein kluger Unterhaltungsfilm. Auf geschickte
Weise vermeidet er es, seinen Zuschauern den Spaß zu verderben - und
das mit einer Themenpalette von Homphobie über komplett dysfunktionale
Familien bis hin zum Mord. Aber noch in dieser letzten Tat, dem Ende, das
mit der Indentifikations- und Hauptfigur gemacht wird, findet American Beauty
zurück in die engeren Grenzen der Hollywood-Vorschriften, die er ohnehin
nie ernstlich zu überschreiten wagt. Mit seiner Regression ins Lustprinzip,
die Kevin Spacey als archetypischer Vertreter des amerikanischen Mittelstands
hemmungslos vollzieht, darf er nicht ungestraft davonkommen. Seine Tötung
ist, den Gesetzen zufolge, nach denen American Beauty angetreten ist, moralisch
notwendig.
Dramaturgisch ist dieser Tod clever
und magenschonend eingeführt; aus dem Nichts, das das Off ist, hören
wir die Stimme des Ich-Erzählers, der uns umstandslos von seinem eigenen
Ableben erzählt, das ein Jahr nach Einsetzen der Filmhandlung erfolgt
ist. Geschickt wird einem damit die Form teleologischer Gespanntheit
untergejubelt, die den Krimi ausmacht: Whodunit ist durchaus eine Frage,
die einen den Film über, mal unterschwellig, mal offen, beschäftigt.
Zugleich aber handelt sich das Drehbuch mit diesem Kniff ein Problem ein:
vieles wird nur zu dem einzigen Zweck erzählt, Verdächtige zu erzeugen.
Es gilt, gegen Ende hin, Knoten zu schürzen, die den eigentlichen
Geschichten im Wege stehen.
Das ist schade, denn bewundernswert an American Beauty ist ansonsten seine
Ökonomie: der Film hat ein Zentrum, das Haus der Familie Burnham; und
dieses Zentrum hat ein weiteres Zentrum, den am Ende hingemordeten
Ich-Erzähler Lester Burnham. Erzählt wird seine Geschichte, die
seiner Frau, die seiner Tochter und die zweier Nachbarn. Letztere scheinen
die Burnhams in schöner Symmetrie zwischen Homosexualität und
Homophobie zu flankieren, aber das schwule Paar erweist sich bald als
bloßes Mittel zum Zweck der Entlarvung des stahlharten Ex-Marines im
anderen Haus nebenan. Die Geschichte Lester Burnhams nun ist die Geschichte
eines kontrollierten Amoklaufs. Konfrontiert mit der Aussicht, seinen Job
zu verlieren, kommt ihm die Einsicht, dass er ohnehin nichts mehr zu verlieren
hat. Und das heißt: er verzichtet fortan darauf, den Schein zu wahren
und entpuppt sich als egoistisches, gemeines Schwein mit Midlifecrisis. Er
nimmt die Freundin seiner Tochter ins Visier und brüskiert lustvoll
seine Frau, was nicht schwierig ist, denn ihre Spezialität ist gerade
die angestrengteste Wahrung des Scheins. Der der ganz normaler bürgerlicher
Wohlanständigkeit ist. Der Schein entlarvt sich am ungehemmten Begehren
(literal: ungescheuten Masturbieren) Lesters als solcher, indem die
Grenzüberschreitung vom Privaten ins Öffentliche, vom Gedachten
ins Gesagte vollzogen wird. Seine Frau wiederum erweist sich als letztlich
nicht entlarvbar, da sie auch im Privaten bloße Larve ist, deren Begehren
im Einklang mit dem Geschäftlichen steht. Seine Tochter wiederum muss
erst gar nicht entlarvt werden, da sie in ihrer pubertären Unausstehlichkeit
ohnehin, und im Unterschied zu ihrer Freundin, authentisch ist.
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Klug ist der Film darin, die Grenze zwischen Schein
und Sein in eine Metapher des Blicks und der Perspektive zu fassen. Der Sohn
des homophoben Nachbarn, ein Grenzgänger zwischen Lust- und
Realitätsprinzip, ist ein Spezialist des doppelten Blicks. Er hält
drauf auf die Welt mit seiner digitalen Videokamera. Es ist zweifelhaft,
ob er glaubt, damit so etwas wie die Wahrheit einzufangen (Wenderssches
Gegrübel entfällt), eines aber ist sicher: sein Blick ist der des
(unbeteiligten) Voyeurs, der die Grenze zwischen Schein und Sein auf seine
verdoppelnde und eindringende Art zum Einsturz bringt. Von Zeit zu Zeit
wenigstens offenbart die Kamera ungeschützte Wünsche: wie den der
Tochter, den Vater umzubringen. Zugleich aber können die Bilder in die
(tödliche) Irre führen. Für Augenblicke wenigstens steht diese
Separatperspektive dem allwissenden, und je toter, desto allwissender,
Ich-Erzähler entgegen. Gegen versöhnlerische Affirmation allerdings
sind auch die grobkörnigsten Bilder nicht gefeit: die pathetische Feier
einer vom Wind sanft getriebenen Plastiktüte steht an gewolltem Sentiment
der allumarmenden Kamera des rahmenden Anfangs- und Endblicks auf den
exemplarischen, der Versöhnung bedürftigen wie postuliertermaßen
zugänglichen Mikrokosmos in nichts nach. Man wird das schade finden
dürfen.
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