Mary Harron: American Psycho
(USA 2000) Rezension von Ekkehard Knörer American Psycho ist die Jekyll and Hyde-Version der 80er-Jahre. Jekyll ist ein Wall-Street-Broker und schwimmt im Geld. Er lebt in einer Welt, die, um die Übersicht nicht zu verlieren, distinktionsbesessen ist auf die denkbar offensichtlichste Weise. Es ist eine Welt reiner Semiotik, in der alles zum Zeichen geworden ist (bzw. nur als solches verständlich wird). Orientierung in einem System fast vollständiger Reduktion auf den Signifikanten (den Namen, die Marken) beweist hier den Meister. Die Belegung der Namen und Marken mit Prestige ist beinahe ganz willkürlich. Das kann so weit gehen, dass das Expertentum in der unerträglichsten Musik der 80er-Jahre zum Ausweis wahrer , wenngleich mörderischer Kennerschaft werden kann. Konventioneller funktioniert das Spiel mit den Restaurants, deren Wert sich über Knappheit bestimmt. Umgekehrt ist es aber gar nicht so wichtig, wirklich dort gewesen zu sein. Die nicht widerlegte Behauptung reicht. Verwechslung des einen mit dem anderen, des Wertvollen mit dem Wertlosen, ist also ein Fehler, den man nicht machen darf. Größere Geringschätzung kann man nicht zeigen, als sich jemandes Namen nicht merken zu können. Patrick Bateman, dem Jekyll in dieser Welt der feinen Unterschiede, widerfährt genau diese Demütigung. Der eine Skandal von American Psycho, Bret Easton Ellis' Roman, lag nicht etwa darin, dass Menschen aufs Blutigste getötet werden, dass der Held ein Mörder, ja ein Schlächter ist. Patrick Bateman ist kein Psycho und Serienkiller à la Hannibal Lecter (dessen Faszination allerdings genauso wenig in bloßer Perversion liegt) - Patrick Bateman ist Jekyll & Hyde, oder, wie der Titel der neuen Version sagt: er ist ein American Psycho. Der Skandal lag eher in der impliziten - und weiß Gott nicht amoralischen - Behauptung, dass das geregelte, erfolgreiche Wall-Street-Leben, Inbegriff des in Amerika möglichen Erfolges, mit seiner größten Herausforderung, dem im Übermaß vorhandenen Signifikanten GELD irgendwie zu Bedeutung (wenn nicht gar tieferem Sinn) zu verhelfen, dass just dieses Leben die dunkle Seite, den Hyde hervorbringt. Ja, weniger hervorbringt, als von ihr beinahe notwendig komplementiert wird.
Das Zeichen für etwas anderes als bloße Zeichenhaftigkeit,
das sich auflösende, nach Erdung schreiende Zeichen, ist das Blut. Das
Blut, nach dem Patrick Bateman, der Sauberkeitsfanatiker mit Äxten
gräbt, ohne im angerichteten Blutbad seinen Durst nach dem Echten stillen
zu können. Das Begehren auch nach Blut hat Lacansche Struktur: es verlangt
immer aufs Neue nach einer Befriedigung, die es nicht geben kann. Noch in
der Verdopplung der Sexpartnerinnen, das führt der Film vor, wird der
Narziss Patrick Bateman nur sich selbst im Spiegel sehen können. Racheakte
und Schlächterinnen werden beliebig (wie Geld, wie Sex), nie Wert an
sich, erschöpfen sich im Body-Count. |