Anatomie

D 2000
Regie: Stefan Ruzowitzky

Rezension von Ekkehard Knörer

Das letzte Jahrzehnt deutscher Kinematografie hat gezeigt, dass es sehr viel leichter ist, den Autorenfilm zu verspotten, als ihm Filme, die sowohl marktgängig als auch intelligent sind, entgegenzusetzen. An der Marktgängigkeit, wie auch am Handwerk, hat es dabei meist nicht gefehlt. Die auf Professionalität setzenden Filmhochschulen (München, Ludwigsburg) haben professionelle Filmemacher produziert, die aber in ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit wie auch in ihren Ideen und Fantasien wenig Genauigkeit und Originalität entwickelt haben.

Stefan Ruzowitzky, der mit dem eigenwilligen Heimatfilm 'Die Siebtelbauern' hatte aufhorchen lassen, erweist sich mit ANATOMIE nun als von deutlich anderem Schlag. Als ihm das Produzentenduo Claussen/Wöbke ('Nach fünf im Urwald', '23') vorschlug, einen Horrorfilm zu drehen, schrieb er begeistert ein Drehbuch und verfilmte es. Autoren-Themen wie Nazi-Vergangenheit oder ethische Fragen (Medizinexperimente, Plastination) sind, ohne alle Überhänge von 'Botschaft', genrefiziert, Vehikel des Funktionierens des Films; heftige Schläge in die Magengrube, aber kein Zeigefinger.

Auf dem angepeilten internationalen Niveau bewegt sich Ruzowitzkys ANATOMIE stilsicher zwischen, um zwei Markierungen zu geben, 'Scream' und 'Tesis'. Das Universitäts-Milieu, die Drastik der Effekte, der Rückgriff auf straight eingesetzte Horror-Momente erinnern an Amenabars kleines, etwas ungeschlachtes Meisterwerk, während der bitterböse Humor, der manchmal ein wenig überhand zu nehmen droht, an die neueren amerikanischen Entwicklungen erinnert - unter Verzicht allerdings auf das mittlerweile zu Tode gerittene Moment expliziter Selbstreferentialität.

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Der gelungenste Horror-Effekt in ANATOMIE ist ein klaustrophobischer: die immer wieder in Bilder und Handlung (als Unfähigkeit zur Handlung) umgesetzte Erkenntnis der Opfer, halb oder ganz gelähmten Körpers zwei an ihnen herumschnippelnden Irren ausgesetzt zu sein. Ruzowitzky hat sich entschieden, hier nicht zu splattern, sondern die Kamera aufs Gesicht der Opfer zur richten. Der Horror von langsamem Begreifen und Zwangsläufigkeit des Geschehens geht den Figuren an und dem Zuschauer unter die Haut. In der so aufgetanen Phase zwischen Aktivität und Tod, in einem Dazwischen der Hilflosigkeit und des Entsetzens, hat der Schrecken des Films seine tiefste Wirksamkeit. Alle anderen Horror-Elemente sind kompetent umgesetzt, nicht mehr, nicht weniger, in der Umsetzung dieses Moments der Auslieferung aber zeigt Ruzowitzky wahre Klasse.

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