Croupier

GB 1999
Regie: Mike Hodges

Rezension von Ekkehard Knörer

Jack Stevens ist Schriftsteller, jedenfalls wäre er es gerne. Ein befreundeter Verlagschef verlangt ein Buch über Fußball von ihm, daran verzweifelt er. Er besinnt sich, mit Hilfe seines im südafrikanischen Sun City lebenden Vaters, auf seine Ursprünge: dort nämlich, in Sun City, wurde Jack in einem Casino geboren, Sohn eines Spielers, ausgebildet als Croupier. Er stellt sich im Londoner Mittelklasse-Casino The Golden Lion vor, überzeugt durch Fingerfertigkeit und moralischen Stoizismus, den er angesichts der vorgelegten Regeln an den Tag legt: der Croupier darf nicht selber spielen, kein Verhältnis mit weiblichen Kolleginnen haben, keine Freundschaft mit den männlichen. Bei zufälligen Begegnungen außerhalb des Spielsalons darf er nicht zu erkennen geben, dass er einen Spieler oder eine Spielerin erkennt. Es kommt, wie es kommen muss, Jack bricht, bis auf die erste, sämtliche Regeln, wenngleich meist nicht aus eigenem Antrieb.

Von nun an bewegt sich Jack zwischen Job, Schreibmaschine und drei Frauen. Das Casino wird ihm zum Objekt des Buches, das er schreibt, der gewissenlose Protagonist Jake wird ihm zum Alter Ego, die Membran zwischen Leben und Fiktion wird, Kapitel für Kapitel, durchlässig. Der Film selbst, das ist seine große Stärke, verzichtet ganz souverän darauf, dem Betrachter die nötigen Orientierungs- und Anhaltspunkte in diesem Durcheinander zu geben. Narrative Stabilisierungen gibt es nur zum Schein: so etwa einen Erzähler aus dem Off, der mal Jack selbst zu sein scheint, dann wieder nicht, in seinem mokanten Ton jedoch aller Off-Erzähler-Neutralität Hohn spricht. Die Beziehungen zu den drei Frauen werden elliptisch abgehandelt, narrative Brüche und Sprünge werden an keiner Stelle zusammen gereimt, der Betrachter muss sich angesichts der Nonchalance, mit der vieles unerklärt bleibt, immer wieder die frappierenden Unklarheiten erst bewusst machen. Erzählt und geschnitten ist der Film nämlich so kurzweilig und elegant wie es die Bewegungen des Croupiers sind, der die Karten immer in der Hand hat und in jedem Fall den Eindruck vermittelt, der Herr des Geschehens zu sein.

Er selbst, der Croupier, ist am allerwenigsten Anhaltspunkt, seinen Zügen ist nichts abzulesen, ungerührt und ausdruckslos ist er das leere Zentrum einer Geschichte, die sich nur unter der Hand entwickelt. Das Vexierspiel funktioniert, weil die kühle Stilisiertheit des Arrangements wie der Inneneinrichtungen, der Settings und der Szenerien Fragen nach Realismus und Wahrscheinlichkeiten stets auf Distanz hält - Nachfragen gleiten unterm amüsierten Lächeln der flinken Hütchenspieler-Regie von der glatten Oberfläche des Films ab. So bleibt letztlich unbeantwortet, worum es in Croupier eigentlich geht, aber auch wer Marian, Jacks Freundin, getötet, wer Bella, seine Geliebte und Kollegin, verpfiffen hat. Jack stellt diese Fragen nicht. Er macht nur seinen Job. Er beobachtet. Er ist das Poker-Face, das alle Auskunft verweigert. Er nimmt die Frauen, wie sie kommen. Er willigt ins Verbrechen ein, von dem unklar ist, wie er es nicht begehen sollte. Und am Ende ist er der betrogene Betrüger. Oder auch nicht. Sein Roman wird ein Erfolg und Jack findet zu sich selbst als Croupier. Vielleicht ist das die ganze Geschichte.

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