Der Kreis

Iran 2000
Regie: Jafar Panahi

Rezension von Ekkehard Knörer

Jafar Panahis Der Kreis ist ein Zwitter aus Realismus und artifizieller Form. Anders als sein Lehrer Abbas Kiarostami nutzt Panahi diesen Doppelcharakter nicht zur Reflexion aufs Medium, sondern zu politischer Schlagkraft. Formal gehorcht der Film der Struktur des Reigens, der Verbindung eines Abschnitts mit dem nächsten in der Begegnung der einander ablösenden Zentralfiguren (ganz ähnlich wie bei Richard Linklaters 'Slacker'). Das Ende holt, vielleicht ein wenig überdeutlich, dann den Anfang ein: wenn die Frauen des ersten Abschnitts in einer 360°-Kamerafahrt in derselben Gefängniszelle mit den anderen Heldinnen zu einem vorläufigen Schlussbild zusammengeführt werden. Auch die eigentliche Schluss-Einstellung holt, nun noch dazu deutlich metaphorisch, den Anfang wieder ein: ein Blick durch ein Glasfenster in einer Tür, dann fällt die Klappe, nicht nur die Tür ist versperrt, auch der Blick ist verwehrt - ein wenig jedoch, zur Abmilderung der überdeutlichen Botschaft, ist auch ein sich schließender Theatervorhang als Implikation denkbar.

Der Kreis erzählt bittere Geschichten aus dem Leben mehrerer Frauen in Teheran, und er tut dies, innerhalb der strengen formalen Struktur, auf beinahe dokumentarische Weise. Was er erzählt, sind nur Ausschnitte, die sich jedoch gerade in ihrer Häufung zur bitteren Erkenntnis qua Detailansicht summieren, dass die religiös geprägte iranische Gesellschaft - von der Freundlichkeit oder Gnadenlosigkeit von Individuen erst einmal ganz abgesehen - Frauen wenig Freiheiten lässt. Die Charaktere des Films sind nur skizziert, was ihre Geschichten und Schicksale angeht, jedenfalls: alle kommen sie aus dem Gefängnis, drohen, (wieder) ins Gefängnis geworfen zu werden. Viel mehr erfährt man über die meisten nicht, die Perspektive verpflichtet sich recht streng auf die Realzeit der Anschauung, die punktuellen, nur leise allegorisch zur Verallgemeinerbarkeit aufgerundeten, Momente der Verzweiflung und Ausweglosigkeit in einer gnadenlosen Umwelt.

Die Ausschnitthaftigkeit bezieht sich jedoch ganz auf die Produktion von Wissen um die Geschichten der Figuren - auf seine Weise nämlich lässt der Film seinen Figuren ungeheuren Raum. Lässt ihnen die Handkamera in engster, stets auf die Frauen fokussierter Solidarität durch die Straßen folgen. Schafft ihnen filmischen Raum und Zeit in langen, stillen Einstellungen, auch für Akte des Widerstands: etwa wenn die Prostituierte im Polizeiwagen, allen (durch den ganzen Film wiederholten) Verboten zum Trotz eine Zigarette raucht. Gibt und lässt ihnen ihre Gesichter, auf denen er verweilt, in denen Schrecken und Verzweiflung geschrieben stehen. Es sind diese starken Momente, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob der Drang zur „Vollständigkeit" des Schrecklichen überhaupt nötig gewesen wäre: ob nicht Wirkung und Aussage in der Konzentration auf eine der Frauen von größerer Klarheit wären. Es ist dies aber ein beinahe unwesentlicher Einwand.

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