Ende August, Anfang September
Frankreich 1998 Rezension von Ekkehard Knörer Ende August, Anfang September ist ein Film um die plötzliche Präsenz des Todes in einer Gruppe von Leuten, die eben noch jung waren. Einer von ihnen, gerade 40 geworden, halbwegs erfolgreicher Schriftsteller, wird krank, stirbt dann. Für keinen seiner Freunde und Bekannten ist das ein einschneidendes Ereignis, auch der Film macht es nicht dazu. Eher ist es so, dass alle von Anfang an so handeln, als könne es sie treffen. Ehe man sich's versehen hat, ist die Jugend vorüber, man hat sich halbwegs etabliert, wurstelt eigentlich aber weiter wie zuvor und nichts geht mehr voran. Die Perspektive des Films ist männlich. Gabriel, der es sich in seiner Ruhelosigkeit halbwegs eingerichtet hat, Adrien, sein Freund, als Schriftsteller etabliert, aber nicht mehr aufregend, stehen im Fokus der Geschichte. Die Frauen, deren Porträts der Film auch zeichnet, zirkulieren darum herum. Das Dilemma, in dem sich alle befinden, besteht darin, dass sie unglücklich sind, wenig glücklich wenigstens, und doch nicht die Kraft haben, noch einmal neu anzufangen. Gabriel steht zwischen den Frauen, seinem Ehrgeiz, der Notwendigkeit, Geld zu verdienen und doch ein paar Prinzipen treu zu bleiben und wendet sich mal hier, mal dort hin. Jenny hängt nach wie vor an ihm, will ihn zurück und weiß zugleich, dass es unmöglich ist. Sie ist zu lebendig, um zynisch zu werden und doch zu resigniert, um etwas neues zu probieren. Anna wird von Gabriel nicht für voll genommen, ist Objekt mehr von Lust als Liebe und sucht selbst Erfüllung in einem sexuellen Verhältnis mit einem anderen Mann, ohne sie zu finden. Am Ende, immerhin, scheint der Film eine Perspektive für die beiden zu bieten. Am ausgeglichensten ist noch die Familie von Gabriels Bruder mit ihrem Haus auf dem Land, aber sie scheinen so etabliert wie langweilig und zunehmend ignorant. Und da ist noch Adrien, der in seiner Krankheit zu sich selbst zu finden scheint. Aber dann stirbt er ja. Assayas entwirft sein Generationenporträt in einem Stil, der zwischen den Polen von Sautets kunsthandwerklicher Figurenmalerei und Carax' Halbstarkentum liegt. Die Geduld und Kommentarlosigkeit, ja die Beiläufigkeit seiner Erzählung von Liebe und Tod sind in einem strengen Sinne melancholisch. Episode auf Episode wird ins Schwarze abgeblendet, die erzählerische wie schnittechnische Ellipse haben Methode. In diesem Ausschneiden liegt eine schleichende Beunruhigung: was passiert sein wird, ahnt man und erfährt es Stück für Stück, in einer Nachträglichkeit, die immer bestätigt, nie überrascht. Die Handkamera, das grobkörnige Filmmaterial tragen zu dieser Unruhe bei. Der Effekt, den die Bilder machen, ist in erster Linie der einer dem Erzählten adäquaten Rauheit, des Verzichts auf Beschönigung der menschlichen Beziehungen. Man kommt den Figuren nahe, ohne dass einem wirklich warm wird. Ende August, Anfang September, der Sommer ist fast vorbei und das erste Frösteln, das der Beginn des Herbstes bringt, ist diesem Film in die Glieder gekrochen. |