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Jump Cut Filmkritik
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Magazin für Film & Kritik

 
Freddie Francis: Die Todeskarten des Dr. Schreck (Dr. Terror's House of Horrors, Großbritannien 1965)

 

Anbieter: Koch Media

VÖ: 28.04.2004

Darsteller: Peter Cushing, Christopher Lee, Donald Sutherland, u.a.

 

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DVD-Informationen
Freddie Francis: Die Todeskarten des Dr. Schreck (Dr. Terror's House of Horrors, Großbritannien 1965)

Britische Horrorfilme aus den 60er Jahren werden gemeinhin mit den Hammer Studios assoziiert. Deren Erfolg mit Frankensteins Fluch stellte im Jahr 1958 die Weichen für eine über Jahre hinweg erfolgreiche serielle Produktion von Neuauflagen klassischer Horrorfilme, die das Gesicht des Horrorfilms über lange Zeit prägten und für die der Name "Hammer" zum Synonym wurde. Von diesen Erfolgen inspiriert, gründete sich im Jahr 1964 aus der Produktionsgesellschaft Vanguard die Firma Amicus Productions, die unter Rückgriff auf das etablierte Hammer-Personal an Darstellern und Regisseuren eine Reihe ähnlich orientierter Genrefilme anfertigte. Auch wenn der Output insgesamt überschaubar blieb und zahlenmäßig kaum an den der zu Hochzeiten ungemein produktiven Hammer Studios ranreicht, entwickelte sich Amicus in den späten 60er Jahren neben Tigon zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die Wegbereiter des britischen Horrorfilms.

Aufgrund der personellen Überschneidungen werden bis heute viele Amicus-Filme dem Hammer-Korpus untergeschoben. Doch gibt es Unterschiede: Während Hammer trotz zahlreicher Ausflüge in andere Genres für das angetretene Erbe der Universal-Klassiker in Erinnerung bleibt, ist Amicus für eine Serie meist im Hier und Jetzt situierter Omnibusfilme bekannt geworden, die sich die mittlerweile erlangte Genresouveränität des Publikums für eine episodische Erzählweise effektiv zunutze machten. Eine Rahmenhandlung, die mehr oder weniger direkt mit den einzelnen Episoden in Verbindung steht, strukturiert zumeist das Geschehen.

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Neben bloßem Distinktionsgewinn hatte diese Vorgehensweise auch genre-ökonomische Gründe: Fünf abgeschlossene Gruselkurzfilme pro Langfilm ergeben im Idealfall fünf mal mehr Höhepunkte und Gänsehaut - beste Voraussetzung für das Marketing also. Die Notwendigkeit zur Entwicklung dramaturgischer Feinheiten wird zudem tendenziell obsolet; gleiches gilt für die Etablierung der Figuren und andere Ausarbeitungen - eine kosten- und vor allem aufwandeffiziente Produktion war somit gewährleistet. Das so erarbeitete Konzept nimmt die Struktur des "Nummernfilms" - bzw. die Struktur der sensationalistischen Jahrmarktsvorführungen, aus denen das populäre Kino einst entstand - wieder auf und lässt bereits dessen zunehmende Relevanz für die Zukunft erkennen. Auch eine Analogie zum Format der Kurzgeschichtensammlung, wie etwa bei Poe oder Lovecraft kultiviert, ist nicht von der Hand zu weisen. Einige Geschichten speisen sich zudem auch offensichtlich aus den makaber-schaurigen Vorgaben und Motiven der wohlbekannten literarischen Vorläufer.

Mit Die Todeskarten des Dr. Schreck veröffentlicht Koch Media nun den ersten dieser Episodenfilme, der zudem die Grundlage für den einige Jahre anhaltenden Erfolg von Amicus bildete. Ort des Geschehens ist ein enges Zugabteil während einer nächtlichen Fahrt durchs Land: Hier würfelt das Schicksal fünf Herren - darunter Christopher Lee als Typ aufgeklärter Skeptiker und der junge Donald Sutherland am Beginn seiner Karriere - und den im Titel benannten Dr. Schreck (Peter Cushing) zusammen. Bald schon steht die schon rein äußerlich zwielichtige Gestalt im Mittelpunkt der Gespräche: Nachdem er sich als Doktor für Metaphysik zu erkennen gegeben hat, legt er den einzelnen Herren die Tarotkarten und sagt jedem eine vom Unheimlichen gezeichnete Zukunft voraus. Die einzelnen Weissagungen entsprechen den Episoden des Films: Der junge Architekt entdeckt im Keller eines ihm zur Modernisierung anvertrauten Hauses das Grab eines Werwolfs. Der Familienvater findet sich mit seiner Familie von bösartigen Pflanzen belagert als Gefangener im eigenen Haus wieder. Der Musiker plündert die musikalischen Schätze haitianischer Voodooanhänger und zieht somit den Zorn einer dunklen Gottheit auf sich. Der Kunstkritiker verübt einen Anschlag auf einen Künstler, der ihn in der Öffentlichkeit bloßgestellt hat; die dabei abgetrennte Hand macht fortan Jagd auf den von Schuldgefühlen zerfressenen Intellektuellen. Die Verlobte des jungen Doktors geht nachts als Vampir auf Beutejagd. Am Ende aller Prophezeiungen angekommen, gibt Dr. Schreck den konsternierten Mitreisenden schließlich sein eigenes Schicksal zu erkennen, das mit dem eines jedes Einzelnen von ihnen auf horrible Art und Weise zusammenhängt ...

Ein schaurig-schöner Spaß. Wenngleich Narration und formale Umsetzung kaum originelle Ideen aufweisen und nicht jede Episode volle Wirkung entfaltet, handelt es sich doch um rundum solide Genrekost, die dem Freund derselben ohne weiteres Vergnügen bereitet. Die einzelnen Episoden sind durchweg routiniert und solide inszeniert und entwickeln zuweilen einen diebisch-makabren Witz. Durch die rahmenden und strukturierenden Sequenzen im Zugabteil erfährt der Film zudem die nötige Würze: Diese sind nicht nur wunderschön ausgeleuchtet und visuell sehr schön inszeniert, sie entwickeln auch schon alleine durch die Enge des Raums und Peter Cushings wunderbar reduziertes, abgeklärtes Spiel als sardonischer Kartenleger und Advokat des Übernatürlichen eine für Genreliebhaber bezaubernde Atmosphäre. Angereichert werden sie durch die gelegentlichen Spitzen des skeptischen Kunstkritikers, der solcherlei Hokuspokus prinzipiell aufgeklärt gegenübersteht und von Christopher Lee eigentlich schon parodistisch verkörpert wird. Eine Fassade, die - Sie ahnen das schon - natürlich zum Fallen verurteilt ist.

Mit dieser schönen DVD hat Koch Media sich eine weitere Perle ins daran ohnehin nicht arme Repertoire gestellt und dem Freund alter Gruselfilme zudem eine große Freude bereitet: Der immerhin rund 40 Jahre alte Technicolor-Film erstrahlt dank des einwandfreien zugrunde liegenden Materials und eines exzellenten Transfers in einer optischer Brillanz, die nur äußerst selten von leichtem Bildrauschen getrübt wird; ansonsten herrschen satte Farben, gute Kontrastwerte und eine erfreuliche Detailschärfe. Die Sichtung wird so zum wahren Genuss, ohne dass sich der negative Effekt einer "Über-Masterung eines alten Films" einstellen würde, wie man ihn in letzter Zeit gehäuft wahrnehmen konnte. Auch der Ton ist für einen Film dieses Alters erste Sahne. Der Film hat in Deutschland zwei unterschiedliche Synchronisationen erfahren: Eine zeitgenössische und eine von der ARD in den frühen 90ern in Auftrag gegebene, die zudem mit unterschiedlichen Vor- und Abspännen einhergehen. Erfreulicherweise hat man sich dazu entschlossen, beide Versionen integral auf DVD zu bannen: Mittels Angle- oder Channel-Taste kann man während des Films nahtlos wechseln oder aber man legt sich im Menu vorab fest. Eine Vorgehensweise, die dem allgemeinen Trend zur Editionsphilologie im DVD-Bereich Rechnung trägt und Schule machen sollte. Nicht selten werden durch neue DVD-Ausgaben alte oder abweichende Versionen eines Films im Nachhinein für ungültig erklärt und geraten zunehmend in Vergessenheit; eine integrale Lösung tritt diesem Prozess mit historischer Faktizität entgegen und überlässt die Entscheidung über die gültige Version dem einzelnen Zuschauer. Dennoch sollte dieses Feature nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Originalton die vorzuziehende Option darstellt: Schon alleine Peter Cushings mit deutlich deutschem Akzent versehene Intonation und Christopher Lees barsche Ausfälle machen diesen mehr als lohnenswert. Schade nur, dass weniger firme Zuschauer ohne Untertitel auskommen müssen.

Auch das Zusatzmaterial überzeugt auf ganzer Linie: Neben obligatorischen Dreingaben wie dem deutschen und dem italienischen Trailer zum Film und einer Fotogalerie, in der wie üblich schönes Aushangmaterial kompiliert wurde, konnte der von Hammer ausgeborgte Regisseur Freddie Francis - im übrigen ein von der Academy hochdekorierter Kameramann, der auch in einer Reihe von David Lynchs Filmen für die Kameraarbeit verantwortlich zeichnet - für einen vor allem die Produktionsbedingungen näher beleuchtenden Audiokommentar gewonnen werden. Leider liegen auch für diesen keine deutschen Untertitel vor. Wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, sollte dem Kommentar jedoch ohne Schwierigkeiten folgen können.

Technische Details

Bild: 2,35:1, 16:9 anamorph
Ton: zwei deutsche Synchros, Englisch (je Dolby Digital 2.0)
Untertitel: keine
Regionalcode: 0 / PAL
Laufzeit: ca. 94 Minuten

Zusatzmaterial:

Audiokommentar, Trailer, Fotogalerie mit Aushangmaterial, alternativer Vor- und Abspann, beide deutsche Synchronisationen (Kino/TV)

(Thomas Groh)