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Jump Cut Filmkritik
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Magazin für Film & Kritik

 
Fritz Lang: Dr. Mabuse, der Spieler 1 & 2 (Deutschland 1922)

 

Anbieter: Transit Film
VÖ: 15.03.2004
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Rudolf Klein-Rogge, Bernhard Goetzke, Gertrude Welcker, u.a.

 

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DVD-Informationen
Fritz Lang: Dr. Mabuse, der Spieler 1 & 2 (Deutschland 1922)

Basierend auf der ungemein erfolgreichen Romanreihe des Luxemburgers Norbert Jacques drehte Fritz Lang 1922 nach einem Drehbuch seiner Gattin Thea von Harbou den zweigeteilten, mit deutlich über 4 Stunden Laufzeit monumentalen Film DR. MABUSE, DER SPIELER. Lang war es dabei vor allem um "ein Bild der Zeit" zu tun, wie auch ein Insert zu Beginn den Film charakterisiert: Die Eindrücke des 1. Weltkriegs, der erstmals das maschinelle, industrielle Massentöten zum Paradigma hatte und einen ungeahnten Werteverfall nach sich zog, die ungeliebte Demokratie der Weimarer Republik und ganz generelle Auflösungserscheinungen bedingten das latente Gefühl des Chaos und Unordnung. Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge) dient hier als Personifikation der Umstände, als Drahtzieher des Elends, der aus dem Verborgenen heraus operiert und Gewalt und Unordnung zur persönlichen Bereicherung, aber auch aus purer Lust daran sät. Nach außen hin bürgerlicher, angesehener Psychoanalytiker und Intellektueller, entwickelt er im Spiel mit Masken und Charaden, aber auch unter Zuhilfenahme einer an Magie grenzenden Befähigung zur Hypnose, eine Präsenz in allen sozialen Schichten und Milieus, die es ihm ermöglicht, Kartenspiele zu steuern, wichtige Dokumente zu stehlen, ausgeklügelt synchronisierte Raubüberfälle zu begehen und die Börse zu kontrollieren, ohne dabei in eigener Identität aufzutreten. Seinen Gegenspieler findet Mabuse im Staatsanwalt Menk (Bernhard Goetzke), der das Netz an Intrigen und Verkleidungen langsam zu entblättern beginnt. Die Umstände dramatisieren sich, als Mabuse die Gräfin Told (Gertrude Welcker) entführt, für die sich auch Wenk interessiert.

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"Lang [...] was a pulp fiction maestro - perhaps the greatest in movie history", so die Einschätzung des us-amerikanischen Filmkritikers James Hoberman in seinem ausführlichen Portrait "Old Lang Zeit", zu finden in der Januarausgabe 1993 des New Yorker Stadtmagazins Village Voice. Und in der Tat darf man Lang wohl als ersten großen Genre-Auteur ansehen, der zumindest in seiner frühen, deutschen Phase aus reißerischen Stories mittels genuin filmischer Mittel und unter sicherem Rückgriff auf verschiedene filmische Verfahren ästhetisch und formal hochwertige Filme schuf, die auch jenseits von filmkünstlerischen Überlegungen spannend und aufregend ausfallen. Der vorliegende Film ist das beste Beispiel: Die Spielorte sind extravagant gestaltet und atmen in jeder Einstellung den mondän-verruchten Flair der Goldenen 20er Jahre - Börsen, Nachtclubs, Tanzveranstaltungen und Casinos bilden den dekadenten Hintergrund, vor dem Mabuse als Connaisseur und pulp-Figur agiert, Dekadenz und Rausch bilden die Triebfeder. Auch ist es wohl nicht allzu wagemutig, in dieser Figur zusammen mit dem französischen Fantômas den Urtypus des sardonisch-hedonistischen, intellektuellen Superverbrechers zu sehen, der weniger zum Bestreiten seines Lebensunterhalts, sondern allein aus Lust an Macht und Bereicherung Einzelne und Gesellschaften ins Chaos stürzt: Echos finden sich wieder bei Goldfinger oder dem gerissenen Blofeld aus den James-Bond-Filmen oder aber auch, noch eine Spur tiefer im Pulp, bei Mario Bavas Diabolik (der das "k", wenn man so möchte, gewissermaßen noch als codierte Referenz an den deutschen Meister des Super-Coups am Ende seines Namens trägt). Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass DR.MABUSE, DER SPIELER bis heute nichts von seiner Spannung und Wirkkraft verloren hat, gerade und besonders auch für den Genrefreund, der hier ohne weiteres viele motivische Fäden ausmachen kann, die spätere Filme dankbar aufgriffen und weiterstricken - nicht zuletzt der klassische deutsche Krimi selbst, der Mabuse, zu Beginn sogar noch unter der Federführung Fritz Langs selbst, in den 60er Jahren für eine Reihe mal mehr, mal weniger gelungener Filme in verschiedensten Inkarnationen wieder auferstehen ließ, dient hier als Beispiel und Beleg. Mabuse, der sich assimiliert, aus der Charade heraus sein Spiel treibt, darf man - insofern einem die Analogie gefällt - als ins Genre aufgegangen betrachten, wo er bis heute seine Finger nach der Welt ausstreckt.

Mit dieser Veröffentlichung hat Transit Film die Reihe an absolut erstklassigen Stummfilm-Editionen rundum gelungen fortgesetzt. Auch hier hat man dem Film wieder ein exquisit gestaltetes Digipack im Schuber zur Seite gestellt und eine aufwändig restaurierte, erfreulicherweise komplette Fassung des Films zur Grundlage der Veröffentlichung genommen. Entsprechend exzellent weist sich das Bild aus: Auch wenn das Alter des Films nicht zu verhehlen ist, lassen sich aufgrund des guten Ausgangsmaterials und eines sorgfältigen Transfers und ausgewogener Kontrastwerte selbst noch kleinste Bildelemente wie einzelne Haare oder Texturen in Mobiliar und Ausstattung gut erkennen. Die Zwischentitel sind zwar neu erstellt, wurden aber aus Zensurkarten und alten Filmrollen rekonstruiert und orientieren sich somit in Gestaltung und Inhalt an denen der Originalfassung. Die musikalische Untermalung konnte leider nicht mehr rekonstruiert werden, doch konnte man mit Aljoscha Zimmermann einen Freunden der bisherigen Reihe bereits gut bekannten Komponisten gewinnen, der dem Film eine wunderbar passende, dramatische Musik zur Seite stellte, die Stimmung und Intention der jeweiligen Szene kongenial unterstützt. In einem ausführlichen Feature kommt der Komponist zudem selbst zu Wort und erläutert die seiner Arbeit zugrunde liegenden Überlegungen auf sehr sympathische, humorvolle Weise. Die Tonqualität der extra eingespielten Musik fällt natürlich erwartungsgemäß exzellent aus.

Das Zusatzmaterial wird der filmhistorischen Dimension der Ausgabe zudem gerecht: So äußerst sich der hiesige Norbert-Jacques-Verleger Michael Farin ausführlich zur Figur des Mabuse und deren historischen Kontext - auf sozialer, literarischer und filmischer Ebene, vergisst dabei aber auch nicht, Jacques' Person selbst dem Zuschauer vorzustellen. In der ausführlichen Dokumentation "Mabuses Motive" wird die Figur als "Bild und Mensch seiner Zeit" einer eingehenden Beobachtung unterzogen und verortet. Die bereits erwähnte Featurette zur neuen Musik des Films rundet die Filmsektion schließlich ab. In einer Bildergalerie finden sich dann die einzelnen Rollen des Dr. Mabuse und damit die beachtlichen Leistungen der Maskenarbeit zusammengestellt. Zahlreiche, ausführliche Texttafeln erläutern schließlich Leben und Werk der wichtigsten in der Produktion involvierten Personen. Zu dieser Edition kann man Transit Film nur einmal mehr gratulieren: Was hier in schöner Regelmäßigkeit geleistet wird, ist schlicht sagenhaft.

Technische Details

Bild: 4:3
Ton: Musik (DD 2.0/5.1)
Untertitel:
Regionalcode: 2 / PAL
Laufzeit: ca. 270 Min.

Zusatzmaterial:

Features zur neuen Musik, zu Norbert Jacques und die Figur des Dr. Mabuse, zahlreiche Biografien, Bildergalerie

(Thomas Groh)