Werner Herzog: Fata Morgana (Deutschland 1971)
Fata Morgana kann zu den ungewöhnlichsten Herzogfilmen gezählt
werden: Als Inspiration diente dem Regisseur ein Science-Fiction-Roman, der
die Beobachtungen Außerirdischer auf der Erde schildert. Nicht das
Weltall ist es also, das hier als das "Fremde" beschrieben wird, sondern
unsere ureigene Umgebung wird aufgrund der Wahl der Perspektive vom
Sinnzusammenhang dekontextualisiert und entfremdet. Seine, wenn man so will,
Adaption konzentriert sich nun allerdings nicht darauf, diese
Hintergrundgeschichte narrativ zu etablieren, sondern will allein die
möglichen Eindrücke jener Außerirdischen in Form eines
essayistischen Films gewissermaßen "dokumentieren".
Zu diesem Zweck montierte Herzog zum einen Bilder und filmische Impressionen
aneinander, die er bereits früher, am Rande anderer Dreharbeiten,
eingefangen hat, und bereiste zum anderen mit einer, wie er auf dem
Audiokommentar süffisant einräumt, geklauten Kamera entlegene Punkte
der Welt, stets aus der Suche nach gleichermaßen irdischen wie fremd
anmutenden Bildern.
Einen mythologischen Überbau erhält dieser zur kontemplativen
Versenkung einladende Film durch eine gleichsam biblische Strukturierung
in drei Kapitel: "Schöpfung", "Das Paradies", "Das Goldene Zeitalter".
Auf der Tonspur lässt Herzog den Film von unterschiedlichen Musiken
von beispielsweise Johnny Cash oder Leonard Cohen begleiten, nach deren Vorgaben
er den Film zum Teil auch schneidet, oder lässt die Herzog seinerzeit
sehr nahe stehende Filmkritikerin Lotte Eisner zu einer Rezitation aus einem
Schöpfungsmythos der Maya anheben, die diese mit ihrer unvergleichlich
einnehmenden Stimme meistert. In diesem Zusammenspiel aus Ton, Bild und Montage
ergibt sich ein zum Teil surrealer, hypnotisch-flirrender Film, der nicht
nur seinem postulierten Anspruch voll gerecht wird, sondern auch, wie Herzog
im Audiokommentar mit Laurens Straub erläutert, zu seinen
persönlichsten und ihm wichtigsten Filmen aus dem eigenen Schaffen
zählt.
Auch diese Veröffentlichung der sich zusehends komplettierenden
Werner-Herzog-Kollektion kann wieder weitgehend überzeugen. Zwar ist
das Bild an manchen Stellen eine Spur zu verrauscht geraten (vor allem die
erste Sequenz - eine minutenlange Aneinanderreihung landender Flugzeuge -
sticht hier heraus), jedoch legt sich dieser Eindruck mit zunehmender Spielzeit.
Die Tonspur ist sehr gut geraten und kann voll überzeugen. Auch der
bereits angesprochene Audiokommentar des Regisseurs mit Laurens Straub ist
wieder sehr informativ geraten und ist vor allem im Falle dieses auch für
Herzogs Verhältnisse recht sperrigen Film eine informative und
nützliche Quelle für Erläuterungen zum Film, dem das eingangs
beschriebene Konzept in dieser Formulierung nur schwer zu entnehmen ist.
Als Bonusfilm ist diesmal die Dokumentation Die große Ekstase des
Bildschnitzers Steiner zu sehen, in der Werner Herzog, der, eigener Aussage
nach, selbst gerne Skispringer geworden wäre, den alle Turniere mit
seiner Sprungweite sprengenden Skispringer Steiner und dessen Hybris auf
die ihm eigene Art portraitiert. Man kann nur spekulieren, ob die Dokumentation
mit ihren von Schnee bestimmten Bildern als augenzwinkernder Kontrapunkt
zu dem hitzig-flirrenden Hauptfilm gesetzt wurde. Dem Kontext sicherlich
angemessener wäre wohl der in der Reihe noch nicht berücksichtigte
Die fliegenden Ärzte von Ostafrika als Bonus gewesen, zumal, wie Herzog
im Audiokommentar erläutert, einige Bilder aus Fata Morgana während
der Dreharbeiten dieser Dokumentation entstanden. Doch sei's drum:
Selbstverständlich tut auch diese kleine Unstimmigkeit der Güte
dieser DVD keinen Abbruch. Dass Kinowelt/Arthaus auch solche sperrigen, nur
schwer vermarktbaren Titel für die nächsten Jahre in zudem
überzeugenden Ausgaben verfügbar macht, ist dem Unternehmen ohnehin
nicht hoch genug anzurechnen. Dass dies entsprechend honoriert wird, steht
zu hoffen.
Thomas Groh
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