Unnötig eigentlich, noch groß etwas über diesen
Film zu schreiben: Er gehört seit langem zu den großen Klassikern
der Filmgeschichte und sei es auch nur aufgrund der haarsträubenden
Produktionsbedingungen. Das ist das interessante an diesem Film, der, wie
kaum ein zweiter, das große Abenteuer, das er abbildet, auch zu dem
Abenteuer seiner Urheber macht: Drei harte Jahre lang musste Werner Herzog
sein waghalsiges Projekt vorbereiten, immer wieder teils niederschlagende
Rückschläge einstecken, mit den weit weniger risikofreudigen Investoren
hadern und die Dreharbeiten zum Teil über Monate hinweg einstellen,
da ihm politische Widrigkeiten, krankheitsbedingte Ausfälle (eigentlich
war Jason Robards in der Rolle des Fitzcarraldo vorgesehen, der allerdings
nach drei Monaten Drehzeit aus gesundheitlichen Gründen unersetzlich
ausfiel) und logistische Engpässe mehr als nur einmal einen Strich durch
die Rechnung machten, von den täglichen Legende gewordenen cholerischen
Anfällen Kinskis mal ganz zu schweigen. Und dann stand zum Ende hin
noch der eigentliche Kraftakt an: Wie Fitzcarraldo zog auch Werner Herzog
selbst mitten im Urwald, entgegen der Ratschläge seines Ingenieurs,
der sich aus dem Projekt zurückzog, da er für die Sicherheit nicht
mehr garantieren konnte, einen echten Dampfer über einen Hügel.
Am Ende dann: Kraftvolle, nie aber pompöse Bilder, mehrere, teils schwere
Verletzungen (unter anderem die gespaltene Hand von Herzog-Kameramann Thomas
Mauch) und, wie es heißt, wohl auch Tote. Ein Film, der seinesgleichen
sucht.
Schon allein aufgrund dieser bewegten Entstehungsgeschichte macht
es Sinn, dass diesem Film, eigenartigerweise auch Herzogs humorvollster und
fröhlichster, ein anderer zur Seite gestellt wurde: Les Blanks Die Last
der Träume, zu finden auf der zweiten DVD, dokumentiert akribisch den
beschwerlichen Schaffungsprozess von Fitzcarraldo. Und man muss sagen: Diese
Dokumentation ist beinahe noch spannender, noch bewegender als der fertige
Film selbst geraten. Die Dopplung des großen Abenteuers (freilich unter
Ausklammerung des "großen Scheiterns", so ein lange schon im Zusammenhang
mit Herzogs Filmen oft gehörtes geflügeltes Wort, das auf eine
Kritik im Spiegel zu Aguirre zurück geht), die Les Blank da minutiös
festhält, wäre an und für sich schon eine eigene
Veröffentlichung wert. Wir erleben den im Verlauf zusehends alternden
Herzog im Kampf mit der Natur, mit den Behörden, mit der argwöhnisch
dräuenden Berichterstattung zuhause, mit den Widrigkeiten der Logistik:
Angesichts der haarsträubenden Bedingungen, deren Zeuge man hier wird,
ist es ein Wunder, nicht nur dass Fitzcarraldo überhaupt fertig gestellt
wurde, sondern auch, dass der fertige Film derart entspannt in sich ruht,
ja, sich gleichsam leicht erzählt. Eine Legende besagt, dass Herzog
beim Schreiben des Drehbuchs von Fitzcarraldo sich selbst im Sinn gehabt
habe. Und auch wenn Fitzcarraldo immer mit dem Antlitz Kinskis, der hier
eine seiner besten Performances seiner Laufbahn bietet, verbunden sein wird,
besteht nach Die Last der Träume kein Zweifel: Fitzcarraldo, das ist
Herzog selbst.
Das Warten auf den Release hat sich gelohnt: Die zwei DVDs befinden
sich in einem edlen Digipack, wie auch der schön gestaltete Schuber
aus matter Pappe. Als kleines Bonbon gibt es noch ein authentischen Aufzeichnung
im Dschungel nachempfundenes Beiblatt mit Notizen aus Werner Herzogs Tagebuch
vom Vorabend des (ersten) Drehbeginns. "Gott helfe uns, Amen" beendet Herzog
diese mit dem für ihn typischen halb-religiösem, halb-augenzwinkernden
Pathos und gewährt so einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt des
Urhebers dieses wahnwitzigen Projekts. Angesichts dieser schönen Verpackung
ist es ein wenig schade, dass der Film selbst nicht in idealster Qualität
vorliegt, was zum nicht geringen Teil aber wohl auch im Alter des Films
begründet liegt: Das Bild könnte gelegentlich eine Nuance
schärfer sein, auch rauscht das Bild zwar nicht stark, aber eben doch
spürbar. Davon sollte man sich aber nicht beirren lassen: Im wesentlichen
ist das Bild absolut passabel, lediglich Hi-End-User mit ausgewachsenen
Heimkinoanlagen mit Leinwand werden wohl Abstriche machen müssen. In
der Bonusecke hat man sich, wie auch in den Releases aus der Reihe zuvor,
wieder viel Mühe gegeben und allerlei interessante Dokumente zusammen
getragen: Neben seltenen und dankenswerterweise bildschirmfüllenden
Werkfotos von den Dreharbeiten kann man sich die (fiktive) Karte von
Fitzcarraldos Reise näher betrachten oder aber teils köstliche
Auszüge aus Kinskis Vertrag, die unter anderem besagen, dass kein Hahn
im Camp des Teams gehalten werden dürfe, nachlesen. Außerdem gibt
es einige tabellarische Drehberichte zu sehen, die auch schon auf der Ausstellung
zu Herzogs Werk im Deutschen Filmmuseum Berlin im Jahr 2002 zu sehen waren.
Ein echtes Schmankerl ist natürlich - wie auch in den vorangegangenen
Veröffentlichungen der Reihe und neben der bereits erwähnten
Dokumentation - der eigens für die deutsche Veröffentlichung nochmals
eingesprochene Audiokommentar Werner Herzogs (für die
Veröffentlichungen in den USA und England aus dem Hause Anchor Bay hatte
Herzog seine Filme bereits auf englisch kommentiert) mit seinem
langjährigen Freund und Wegbegleiter Laurens Straub, der die Filme damals
als Verleiher in die Kinos brachte. Die langjährige Bekanntschaft der
beiden kommt dem Zuschauer zugute, der mit einer wahren Fülle an
Hintergrundinformationen, Anekdoten und technischen Erklärungen belohnt
wird. Herzogs ruhige Stimme und seine bedachte Ausdrucksweise tun ihr
übriges, um auch die erneute Sichtung des Films zu einem lohnenden Ereignis
zu machen.
Mit dieser DVD hat Kinowelt Herzogs Film in Form eines regelrechten
Archivs ein kleines Denkmal gesetzt: Ob man sich seinem Schaffungsprozess
durch die Augen des Dokumentarfilmers nähert, ob man ihn nochmals vom
Urheber selbst kommentiert Revue passieren lässt oder aber ob man ihn
auch ganz für sich alleine stehen lässt: Fitzcarraldo bleibt ein
in der Filmgeschichte einzigartiges Phänomen, das auch nach stundenlanger
Beschäftigung nichts von seiner Faszinationskraft einbüßt.
|
Technische Details
DVD 1, Hauptfilm:
Bild 1,85:1 anamorph
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, Mono), Englisch (Mono)
Untertitel: -
Regionalcode: 2
DVD 2, Last der Träume Dokumentation
Bild 4:3 Vollbild
Ton Deutsch, Englisch (je Mono)
Untertitel: -
Regionalcode: 2
Zusatzmaterial:
Audiokommentar von Werner Herzog und Laurens Straub, Werkfotos, Trailer,
Biographien, Auszüge aus div. Dokumenten, Trailer, Bonus-DVD
(Thomas Groh) |