Ryuhei Kitamura: Heat After Dark (Japan 1998)
Kurz vor dem Kinostart von Ryuhei Kitamuras Aragami Ende April
(und pünktlich zur Sicherstellung von Ryuhei Kitamuras Versus durch
Polizeibeamte in einer bayerischen Videothek) legte das Asian Film Network
mit Heat After Dark den ersten filmischen Gehversuch des längst
zum Kultregisseur avancierten Japaners auf DVD vor. Seit seiner geekigen
Splatterrevue Versus, die auf Festivals für volle Säle und
entsprechend ausgelassene Stimmung sorgte, ist Kitamura weltweit unter
Splatterfreaks und Videonerds ein fester Begriff. Das mag vor allem damit
zusammenhängen, dass er als Regisseur "auf Augenhöhe" mit seinen
Fans ist: Seine Filme zeugen sichtlich von seiner Begeisterung für laute,
schnelle und knallige Genreware. Wo aber beispielsweise Tarantino diese
verdichtet und beinahe schon essayistisch verhandelt, gefällt Kitamura
sich meistens schon darin, die Pulp-Traditionen lediglich fortzusetzen -
wenn auch ambitioniert und technisch auf der Höhe der Zeit des zugrunde
liegenden Produktionsrahmens. Entsprechend sind seine Filme gestaltet: Meist
spulen sie auf begrenztem Raum eine personelle Anordnung ab, die auf den
knalligen Effekt hinkonstruiert ist. So treffen in Versus
Gefängnisflüchtlinge und Gangster in einem Wald aufeinander, der
unglücklicherweise in ihm begrabene Leichen als Zombies wieder ausspuckt.
In Aragami treffen sich zwei Samurai in einem Tempel, von denen der eine
ein des Lebens überdrüssiger Kriegsgott ist, der nur im Kampf
dahingehen möchte. Und in Heat After Dark trifft man sich schließlich
für eine Geldübergabe in einem abgelegenen Gebäude in den
Wäldern, die unweigerlich in eine breit angelegte und mit allerlei
Skurrilitäten angereicherte Schießerei mündet. |
DVD Kaufen bei Amazon
|
Mit knapp 50 Minuten Spielzeit fällt Kitamuras Debüt
eigentlich schon in die Kategorie "Kurzfilm", die angehenden Regisseuren
nicht selten als Fingerübung und experimentelle Spielwiese dient. So
ist auch Heat After Dark eher als formale Stilübung anzusehen,
in der Situationen des Actionfilms auf ihre knallige Inszenierbarkeit hin
abgeprüft werden. Nicht jeder Moment ist dabei gelungen, manches zeugt
noch von der relativen Unerfahrenheit der Filmemacher, doch sind andere
Auflösungen wiederum ohne Zweifel bildoptisch elegant und formal gewitzt
gestaltet. Der zuweilen an düsterer australischer Ethnomusik orientierte
Score tut sein übriges, um eine hitzige, aufgeladene Grundatmosphäre
zu etablieren. Alles in allem ein nicht in jeder Hinsicht überzeugender,
aber sichtlich ambitionierter Film, dessen Veröffentlichung auf DVD
für Freunde von Kitamuras Schaffen eine bislang schmerzliche Lücke
in der Mediathek adäquat zu füllen weiß.
Die Zeiten, in denen dem Asian Film Network von vielen Freunden
des asiatischen Kinos mangelhafte Veröffentlichungen vorgeworfen wurden,
können wohl allerspätestens mit dieser DVD als beendet angesehen
werden. Schon für die äußerliche Gestaltung hat man sich
große Mühe gegeben: Die Edition erscheint im schön anzusehenden
und stabilen Pappschuber, der zudem nach asiatischem Modell - Vorder- und
Rückseite sind also für hiesige Verhältnisse "vertauscht"
- konzipiert wurde. Inwiefern der Film, wie ein Aufdruck verrät, in
der "Tradition der Novelle [sic!] Vague" steht, ist zwar zumindest mir nicht
ersichtlich, da mir keine Parallelen zum Kino der französischen
Autorentheoretiker aufgefallen wären, doch sollte das nicht weiter
stören (und vielleicht habe ich auch einfach nur eine Begriffsbildung
verpasst). Rein qualitativ gesehen kann die DVD ohne weiteres rundum
überzeugen: Das Bild ist gut anzusehen und besticht vor allem durch
seinen exzellenten Transfer und entsprechend störungsfreies, detailscharfes
Bild. Auch der Ton gibt keinen Grund zur Lage, allenfalls die Untertitel
haben es fürs entspannte Kucken im O-Ton eine Spur zu eilig und blitzen
zuweilen etwas zu schnell wieder aus dem Bild. Die Extras sind nicht
sensationell, reichen aber über übliche obligatorische Dreingaben
hinaus: Ein ausführliches Making-Of erläutert Entstehungsgeschichte
und -prozess, in den zahlreichen Trailern kann man sich fröhlich durch
das interessante Programm von Asian Film Network klicken und dabei vielleicht
noch den einen oder anderen unbekannten asiatischen Film entdecken.
Alles in allem: Eine schöne und rundum gelungene
Veröffentlichung. Wenn die damit selbstgelegte Messlatte in Zukunft
nicht unterschritten wird, stehen uns von AFN wohl noch einige mehr als
bloß interessante Veröffentlichungen ins Haus! |
Technische Details
Bild: 1,85:1 Letterbox
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Japanisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: deutsch, englisch
Regionalcode: 2 / PAL
Laufzeit: ca. 55 Min.
Zusatzmaterial:
Making Of, Original Kinotrailer, Trailershow
(Thomas Groh) |