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Jump Cut Filmkritik
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Magazin für Film & Kritik

 
Eric Valette: Malefique Psalm 666 (Malefique, Frankreich 2002)

 

Anbieter: Kinowelt Home Entertainment

VÖ: 18.05.2004

Darsteller: Gerald Laroche, Philippe Laudenbach, Clovis Cornillac, Dimitri Rataud, u.a.

 

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DVD-Informationen
Eric Valette: Malefique Psalm 666 (Malßefique, Frankreich 2002)

Das Direct-to-Video-Segment genießt meist (und nicht selten auch mit gutem Grund) wenig Wertschätzung. Die Regale der Videotheken in den hinteren Ecken gelten meist als Hort des Zweit- wenn nicht Drittklassigen, Dutzendware, lieblos runtergekurbelt und achtlos auf den Markt geschmissen. Sicher. Es gibt jedoch auch immer wieder Glücksfälle zu verzeichnen, wahre Perlen, die es in eben jenen Regalen zu entdecken gilt. Oft sind das dann außergewöhnliche Filme, nicht selten aus dem phantastischen Bereich, denen man die Vision ihrer Macher zu jeder Minute ansieht (auch wenn sie vielleicht manchmal - was wir gerne auf die Produktionsbedingungen schieben wollen - nicht immer komplett erfolgreich umgesetzt wurden) und denen man doch eigentlich auch eine Auswertung auf der Leinwand gewünscht hätte. Sie ahnen es vielleicht schon: Maléfique Psalm 666, den Kinowelt Home Entertainment dieser Tage erfreulicherweise auf den Markt gebracht hat, ist ein ebensolcher Film.

Ein Kammerspiel: Die Spielhandlung findet fast ausschließlich in einer Gefängniszelle statt, das Draußen sehen wir so gut wie nie. Die vier Insassen könnten unterschiedlicher nicht sein: Zum einen ein viriler, stämmiger, muskelbepackter Transvestit namens Marcus mit bereits großem weiblichen Vorbau, der sich - auch wenn das zu Beginn anders aussieht - beinahe schon wie eine Mutter um den geistig zurückgebliebenen, hochneurotischen "Bübchen" kümmert, der im Stockbett über ihm schläft, sich durch kindisches Verhalten auszeichnet, alles frisst, was ihm in die Quere kommt, und nervös kichernd Fotos von weiblichen Geschlechtsorganen aus Pornoheften ausschneidet, um sie zu einer bizarren Collage zu montieren.

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Auf der anderen Seite dann ein alter, ruhiger Bibliothekar (mit entfernter Ähnlichkeit zu Leo Kirch, was für einen Moment lang befremdlich wirkt, vor allem, wenn sich Marcus nachts über dessen Derrière hermacht), der den Büchern jedoch mit, wie wir erfahren, gutem Grund abgeschworen hat. Und dann der Neue, ein Unternehmer mit bürgerlichem Erscheinungsbild und ohne nennenswerte Macken, von dem nicht ganz klar ist, warum er eigentlich hier ist, aber der festen Überzeugung ist, diesem Irrenhaus in spätestens zwei Wochen wieder den Rücken kehren zu können, wenn seine Frau die Kaution bezahlt hat (was natürlich, wie soll es auch anders sein, nicht der Fall sein wird). Nach einigen grotesken Szenen ist die Konstellation im Raum geklärt. Doch dann taucht ein Buch hinter einem losen Stein im Gemäuer auf: Ein bizarr gestaltetes, handgeschriebenes Tagebuch eines inhaftierten Serienkillers von Anfang des 20. Jahrhunderts, in dem nicht nur dessen Trieb nach Placentas zur Erhaltung seiner Jugend detailliert niedergeschrieben wurde, sondern auch magische und okkulte Rituale, mit denen man sich, korrekte Anwendung vorausgesetzt, durch Wände zu gehen befähigen kann. Es folgt fast schon klassische Exegese: Wie sind die Formeln und Symbole zu lesen, zu deuten, zu verstehen? Die Experimente mit den Beschwörungsformeln nehmen zum Teil tragischen Ausgang, Streit entfacht sich, wie mit dem Buch im weiteren umzugehen sei. Nachdem Marcus sich des Buchs entledigt hat, erscheint ein neuer, seltsamer Mitbewohner in der Zelle: Ippolit sein Name. Am nächsten Tag ist der dubiose Kerl auch schon wieder verschwunden, nur eine Digicam lässt er zurück, mit genauen Anweisungen darauf abgespeichert, daneben wieder das Tagebuch des Serienkillers - und die Wärter bestreiten, jemals einen Ippolit in die Zelle gelassen zu haben ...

Maléfique ist ein weiterer Vertreter des seit Jahren recht erfolgreichen phantastischen Kinos aus Frankreich, das sich durch eine morbide Grundstimmung und eine fantasievolle Bildgestaltung auszeichnet - man denke etwa an Delicatessen, Vidocq oder Der Pakt der Wölfe (und übersieht bitte den gründlich in die Binsen gegangenen Bloody Mallory, der ebenfalls seit einigen Wochen in den Videotheken steht). Maléfique schließt an die Ästhetik des kunstvollen Verfalls, wie man sie in den genannten Filmen beobachten kann, nahtlos an und ergänzt sie zudem um einige bizarre, aufgrund ihrer artifiziellen Gestaltung aber nie über Gebühr abstoßende Spielereien, wie man sie aus den späten, eher schwarzhumorigen Splatterfilmen kennt. In Verbindung mit seinem langsamen, oft schon bedächtigen Erzähltempo, das die gedehnte Zeit in einer Zelle nachempfinden lässt, entwickelt Maléfique dabei eine ganz wunderbar funktionierende lustvoll-makabre Atmosphäre, die gekonnt zwischen Groteske und Grusel - den beiden Stützpfeilern des Horrorfilms - changiert. Abgerundet wird dies durch eine eigentlich schon "bibliophile" Spielhandlung, die klassischen "Bücherhorror" sowie den derzeit vor allem in Asien angesagten "Moderne-Medien-Horror" als Sprungbrett nutzt, um in einer Koppelung mit dem postmodern gotischen "Körperhorror", wie ihn Clive Barker mit Hellraiser (GB 1987) kultiviert hat, in einen traumähnlichen, surrealistischen Höhepunkt zu kulminieren, in dem sich verschiedenste Aspekte des Horrorkinos zu einem überraschenderweise wunderbar funktionierenden Amalgam vereinen. Vielleicht - das wird sich indes noch zeigen müssen - wurde hier so etwas wie der Dellamorte Dellamore (IT 1994) der 00er Jahre zustande gebracht. Kurzum: Maléfique ist ein intelligent gemachter, aber nicht unnötig kopfschwerer, spannender und unterhaltsamer Horrorfilm, vor allem aber eine echte Entdeckung im oft zweitklassigen phantastischen Film - dringende Empfehlung also an alle, die dem gegenüber aufgeschlossen sind!

Höchst erfreulich ist es zudem, dass Kinowelt dem Filmeine rundum überzeugende Edition angedeihen hat lassen. Diese zeichnet sich durch ein sehr gutes Bild, einen knackigen Ton und sogar eine sehr überzeugende deutsche Synchronisation aus - gerade letzteres ist nicht unbedingt gang und gäbe in diesem Bereich der Videovermarktung. Lediglich in den dunklen Szenen ist hie und da mal eine vermehrte Blockbildung in den dunklen Flächen zu erkennen, jedoch sollte sich dieser Effekt mit dem Kontrastregler des Fernsehgerätes ohne weiteres ausgleichen lassen können. Das Zusatzmaterial ist großzügig bemessen und wartet vor allem mit sinnvollen Dreingaben auf: Neben einem Audiokommentar des Regisseurs, des Drehbuchteam und einem der Produzenten, der sich vor allem mit der Gestaltung des Films auseinandersetzt, findet man noch den intelligenten Kurzfilm Il est difficile de tuer quelqu'un, même un lundi (F 2000) des Regisseurs, in dem das Pop-Phänomen des Serienkillerkultes in der Erzählung eines angehenden Serienkillers, der die alten Meister verehrt, eingehend und formal gewitzt untersucht wird. Eine schöne Sache, dass solche Werke ebenfalls auf DVD verfügbar gemacht werden, da sich Kurzfilme vor allem aus dem phantastischen Bereich oft dem öffentlichen Zugang entziehen. Ein halbstündiges Making-Of beleuchtet schließlich den Produktionsprozess und wartet mit vielen Eindrücken von den Dreharbeiten auf, ohne dabei ins berühmt-berüchtigte "Genre" des "ausgedehnten Werbe-Trailers" abzusinken. Eine schön gestaltete und sorgfältig aufbereitete Edition eines verschrobenen, spannenden Films also - hier wurde ganze Arbeit geleistet!

Technische Details

Bild: 1,85:1 anamorph
Ton: Deutsch, Französisch (je DD 2.0)
Untertitel: deutsch
Regionalcode: 2 / PAL
Laufzeit: ca. 86 Min.

Zusatzmaterial:

Audiokommentar, Kurzfilm des Regisseurs, Making Of, Trailer(Thomas Groh)